Die Hebamme
aufzubauen.«
Er tat einen Schritt in die Kammer und zögerte.
»Soll ich …« Er wagte es nicht, zu seiner Frau hinüberzusehen, die am Boden saß und sich am Laken festkrallte.
»Hilf ihr aufzustehen«, sagte Gesa. »Mach schnell. Ich muss ein paar Dinge vorbereiten.«
Sie öffnete ihre Tasche und bewegte sich geschäftig durch die Kammer. Sie wies Albin an, Jula vorsichtig zu fassen, unter den Achseln. Sanft sollte er mit ihr sein, so sehr es ihm möglich war, und sie dabei aufrichten, mit ihr zum Bett gehen. Albin tat sein Bestes, er schien plöztlich bereit, alles zu erdulden, auch dass Jula fortwährend nach ihm schlug.
Unter dem Fenster saß Dorit an die Wand gelehnt, schaukelte das Kind, schob ihm den kleinen Finger in den Mund, damit es daran saugte und aufhörte zu wimmern. Dabei ließ sie die Eltern nicht aus den Augen, die auf der anderen Seite des Bettes miteinander rangen, sich gemeinsam mit der Hebamme in einem seltsamen Tanz befanden. Gesa sprach unablässig. Ihre Stimme floss wie ein warmer Strom durch die Kammer.
Behutsam sollte er die Arme seiner Frau festhalten, sagte sie, und sich langsam setzen mit ihr, vorn an der Bettkante bleiben. Sie raffte Julas Unterkleid, damit ihre Beine sich über Albins kräftigen Schenkeln spreizen konnten. Sie goss Öl in ihre Hände, und als sie Jula berührte, gab diese endlich nach. Sie fiel zurück an die Schulter ihres Mannes, stemmte sich gegen ihn, wenn die Wehen ihr Kind weitertrieben und ihr Körper sich bereitmachte, es in einer zügigen Niederkunft freizugeben. Albin hielt Jula, bis sie ihm eine Tochter gebar. Danach blieb er bei ihr, um über sie zu wachen.
Über das Findelmädchen wachten die kleine Dorit und Gesa. Sie wuschen und wärmten es. Von einem Holzlöffelchen flößten sie ihm Gerstensud ein, dem kleinsten, den Dorit in der Küche hatte auftreiben können. Sie schliefen auf der Ofenbank neben den Milchgeschirren, während oben das Kind in Julas Bett zu fiebern begann.
Die Nacht darauf fuhr Albin selbst, um den Pfarrer zu holen. Es waren gut gefüllte Schlachtschüsseln, die er ins Pfarrhaus brachte, und die Fahrt vom Dorf zurück zum Hof wusste er für ein wenig Demut und Buße zu nutzen. Julas neugeborene Tochter starb bald nach der Taufe, und Gesa öffnete das Fenster der Ehekammer, um ihre Seele davonfliegen zu lassen. Sie beschloss, ihr auf dem Weg zu den himmlischen Engelsscharen etwas mitzugeben, denn wer wusste schon, auf wen das Kind womöglich traf? Aus dem Hemdchen, das einmal ihre Mutter für sie genäht haben mochte, trennte sie die zwei Münzen und erzählte Jula die Geschichte von ihren Eltern, von Kaspar und Marie.
Sie zogen dem kleinen Leichnam das Hemd über und wickelten es in ein schneeweißes Tuch aus Julas Truhe. Sein Bettchen, in dem es aufgebahrt lag, schmückten sie mit den letzten Blumen, die Dorit mit den Mägden im Garten fand. Während die Frauen bei dem Kindchen die Totenwache hielten, verrückten die abergläubischen unter den Knechten verstohlen im Speicher die Mehlsäcke, damit das Wenige, was es gab nach der schlechten Ernte, nicht auch noch zugrunde ging.
Das Findelmädchen hatte der Pfarrer bei den Stallungen getauft. Wohl auf Albins Fürbitte hin zeigte er sich bereit, ihm einen Namen zu geben, den Dorit ausgesucht hatte. Es zog weder Fragen noch Missbilligung nach sich, dass sie von der kleinen Johanne als ihrer Schwester sprach.
Einen Tag später verließ Albin den Eichenhof, um Julas sechstes Kind zu begraben. Hinter ihnen wurden Fenster und Türen geschlossen und die Feuer gelöscht. Die Küchenmagd schüttete dem kleinen davonfahrenden Sarg einen Eimer Wasser nach, denn man wollte den Tod daran hindern zurückzukehren. Man versuchte es, obwohl er sich bislang durch nichts davon hatte abhalten lassen.
Gesa blieb auf dem Hof, denn es war der Tag, an dem Julas Brüste schwer wurden von der Milch.
Dorit war es zu verdanken, dass sie Johanne zu sich nahm. Julas beharrliche Tochter tauchte mit ihrem Schützling in der Kammer auf, gerade, als Gesa der Mutter kühlende Umschläge anlegte.
Es herrschte ein wortreiches Schweigen, das die kleine Johanne mit einem wütenden Schrei brach. Jula wich Dorits bohrenden Blicken aus, die sich am Fußende des Bettes aufgestellt hatte. Das Mädchen tat nichts. Sie sah nur zu, wie die Milch aus Julas Brüsten perlte.
Und Gesa sah Dorit an. Sie dachte, dass diese kleine Person schon früh eine Menge verstand. Sie trat zur Seite, um sie näher kommen zu
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