Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hebamme

Die Hebamme

Titel: Die Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cantz Kerstin
Vom Netzwerk:
»Raute und Beifuß. Sag den Frauen in der Küche, wir brauchen schnell einen Sud davon. Und frag sie, ob ihr Muskat und Nelken im Haus habt. Sie sollen es zerstoßen, auch Zimt wäre gut. Am besten wäre es, das Ganze in Wein aufzulösen, aber kein Branntwein, verstehst du mich?«
    Dorit war schon an der Tür.
    »Meinst du, es gibt roten Wein?«, fragte Gesa. »Ein Glas davon mit den Gewürzen wäre das Beste für deine Mutter.«
    Als das Mädchen verschwunden war, sagte Jula, ohne in ihrem Schaukeln innezuhalten: »Das Beste für mich wäre der Tod.«
    Bele hätte nur ein Wort dafür gehabt.
    »Unsinn.« Gesa ging um das hohe Bett herum, in dessen Mitte Jula saß, als befände sie sich auf einer treibenden Scholle.
    »Ich muss dir etwas sagen.«
    »Was denn?« Gesa hörte die Angst in der Stimme.
    »Aber zuerst will ich, dass du aufstehst, Jula«, sagte sie. »Und es muss dich nicht beunruhigen. Es hat mit mir zu tun.«
    Behäbig rutschte Jula in ihrem langen Unterkleid an die Bettkante. Sie ließ sich von Gesa aufhelfen und griff nach ihrem Wollschal auf dem Bett.
    »Mit dir. Machst du jetzt irgendwas anders als sonst?« Sie sah Gesa an, wach plötzlich. »Hast du vielleicht bei den Doktoren was gelernt, das mein Kind retten kann?«
    »Komm, Jula, wir laufen ein bisschen.«
    Sie drückte das Fenster auf, was schwierig war, bis das verzogene Holz schließlich mit einem Ächzen nachgab. Die Scheiben klirrten leise in den Rahmen, und von unten waren männliche Stimmen zu hören, hartes Gelächter. Vereinzelt tanzten Laternenlichter, die sich von irgendwoher näherten.
    »Ich habe die Prüfung nicht gemacht.«
    »Was erzählst du mir da?«, sagte Jula hinter ihr.
    »Du bist die Erste, die es erfährt.«
    »Aber warum …«
    »Ich war zu feige, es den anderen zu sagen. Bitte, Jula, beweg dich nur weiter. Nicht vor Schreck stehen bleiben.« Sie wandte sich um. Ihr war zum Weinen, aber das durfte jetzt keinesfalls passieren.
    »Was du mir da sagst, das schreckt mich nicht, glaub mir«, sagte Jula und winkte sie energisch zu sich. »Komm her und stütz mich. Wir dachten, du kommst zurück und bist unsere Hebamme wie immer. Nun kommst du zurück ohne Papier. Was ändert das? Wir haben dich gewählt, hast du das vergessen? Auch wenn die andere ein Papier vorzuweisen hat, auch wenn sie ihre Arbeit nicht schlecht machen soll – sie ist eine Fremde.«
    Jetzt war es Gesa, die stehen blieb.
    »Wer?«
    »Ach«, sagte Jula unwirsch. »Die Frau vom neuen Lehrer; ich weiß nicht mal, wie sie heißt. Sie ist gleich zum Schulzen gerannt und hat ihm ihr Papier hingehalten. Im Dorf hat man sie schon zur einen oder anderen geholt, die dürre Ziege. Schon vom Ansehen mochte ich sie nicht.«
    Abrupt machte Jula Halt vor dem Bett und lehnte sich gegen einen der Pfosten.
    »Ich bin froh, dass du hier bist, Gesa. Du kennst mich. Dir muss ich nichts erklären, auch nicht, dass ich Angst hab, das noch mal durchzustehen. Dir kann ich sagen, dass ich Albin in mein Bett geholt habe, weil ich nicht wollte, dass er immer nur zu den Mägden ging. Ich weiß nicht, wie viele es waren, aber zwei sind noch vor dem Gesindewechsel vom Hof verschwunden. Und weißt du«, sie legte den Kopf in den Nacken und stützte mit beiden Händen ihr Kreuz, »… ich bin keine alte Frau. Ich kann es durchaus leiden, wenn mich mein Mann hin und wieder anfasst. Vielleicht ist es das, wofür Gott mich büßen lässt.«
    Ein Klopfen unterbrach sie, und sie ließ sich auf der Bettkante nieder, während zwei Mägde erhitztes Wasser brachten, Licht und den Kräutersud, welchen Jula entschlossen zu sich nahm. Gesa bereitete ein Fußbad, massierte ihr den Rücken, wenn sie danach verlangte, und überwachte den Fortgang der Wehen. Jemand brachte den Wein mit den Gewürzen, nur Dorit kam nicht zurück.
     
    Die Suche nach dem Wein hatte sie sehr ernst genommen, und es verschlug sie in die letzten Winkel des Hofes, weil niemand die Zeit hatte, dem Kind zu erklären, wo die Flaschen zu finden waren. So war Dorit auf etwas gestoßen, und sie kehrte dorthin zurück, an den heimlichen Ort. Sie musste nachdenken, hinten bei den Ställen, abseits bei den Ziegen und Gänsen.
    Erst hatte Dorit es gar nicht gewagt, näher heranzugehen. Aber dann fand sie es so jämmerlich. Dass es fest verschnürt war, machte die Sache einfacher. Sie hob es aus dem Stroh, mit dem es jemand bedeckt haben musste, und wunderte sich, dass es viel schwerer war, als sie sich das dachte.
    Es machte kein richtiges

Weitere Kostenlose Bücher