Die Hebamme
die Mitwirkung der Patientin, unter vorzüglicher Anwendung seiner Kunst die Geburt zu einem glücklichen Ende. Er entband die Person von einem lebenden Kind weiblichen Geschlechts.
Bevor er die Vorgänge abschließend kommentierte und die drängenden Fragen seiner Studenten beantwortete, wies er zum wiederholten Mal eindringlich auf die Gefahren tellurischer Miasmen hin. Nur durch regelmäßiges Lüften sei dem tödlichen Pesthauch, der das Kindbettfieber auslöse, zu begegnen.
Gesa hätte nicht mehr zu sagen gewusst, wie oft sie an diesem langen Tag auf Verlangen Kilians das Fenster im Auditorium für einige Augenblicke öffnete. Sie hatte auch vergessen, dass sie irgendwann danach fragen wollte, warum Schweiß und Atem gebärender Frauen ihnen gleichermaßen den Tod bringen sollten.
Franziska Sulzmann hatte für eine kurze Zeit das Atmen nahezu eingestellt, und als ihre Hand in Gesas erschlaffte, bemerkte diese die schmerzhafte Anspannung ihres eigenen Körpers. Erst da hatte Gesa es gewagt, Lottes Blick zu suchen, um dort der gleichen Leere zu begegnen, die sie in sich fühlte.
Es war lange her, dass sie das Fenster zu Beginn dieses Tages geöffnet und auf Paulis roten Schopf hinuntergeblickt hatte, der im Haus verschwunden war. Die Sonne hatte sein Haar zum Leuchten gebracht. Jetzt aber ging sie irgendwo hinter der Stadt unter, und Gesa fühlte sich verloren, weil sie nicht wusste, wo das war.
In den Armen seiner Taufpatin erhielt an einem hoffnungsfrohen Morgen der Sohn des Richters seinen Namen. Christoph Heinrich schrie, als das Wasser seine Stirn berührte und die Schläfen entlang auf das Taufkissen lief. Seine zornige Stimme erfüllte das Kirchenschiff und das Herz des stolzen Vaters. Die Patin wandte ihren Blick von der pochenden Fontanelle des Täuflings ab und lächelte der Hebamme zu, die sie dabei beobachtet hatte. In der Kirche fröstelten die Damen in ihren Kleidern aus leichten Stoffen, denn draußen nahm einer von jenen Vorfrühlingstagen seinen Lauf, die mit ihrer trügerischen Wärme etwas versprachen, was nicht einzuhalten war.
Doch in Erwartung der weiteren Festlichkeiten war kaum einer der geladenen Gäste geneigt, trüben Gedanken zu folgen, und so machte sich später vor der Lutherischen Pfarrkirche eine wohlgestimmte Gesellschaft bereit, den kurzen Weg zum Haus des Richters anzutreten.
Elgin wandte sich von den Taufgästen ab und ging auf die Linden zu, die in einer langen Reihe den Kirchhof säumten. Die letzten Schwingungen der gewaltigen Orgeltöne schienen sich über die Dächer der Stadt davonzumachen, Stimmen und Gelächter dagegen fingen sich im Glockengeläut. Die Sonne wärmte Elgins Rücken, und sie widerstand dem Bedürfnis, sich ausgiebig zu strecken. Unzählige Kinder hatte sie in Marburg schon zur Taufe getragen. Heute war es ihr vorgekommen, als hätte sich das Gewicht des Kindes auf dem Weg zur Kirche vervielfacht. Der kleine Homberg hatte ihr zum Schluss so schwer in den Armen gelegen, dass sie froh gewesen war, ihn mitsamt seinem reich bestickten Spitzenkissen am Taufbecken der jungen Patin übergeben zu können. Therese Herbst.
Als Malvine vor Tagen von ihrer Wahl erzählte, hatte Elgin es zur Kenntnis genommen und einer Regung nachgespürt, die sich nicht einstellen wollte. Nicht einmal eine gewisse Neugierde hatte sie bei sich ausmachen können. Interessanterweise schien sich das bei Therese anders zu verhalten. Doch sie konnte nichts wissen, keinesfalls. Es sei denn, Lambert hätte sich seiner Verlobten gegenüber zu einer unverzeihlichen Dummheit hinreißen lassen. Doch wären sie sich dann heute sicher nicht am Taufbecken begegnet.
Nein, Therese wusste nichts. Bei Elgins vermeintlichen Wahrnehmungen musste es sich um Streiche handeln, die das Gewissen ihr spielte. Offensichtlich verfügte sie über eines, vielleicht sogar erst seit heute, seit Therese von einem bloßen Namen zu einer sichtbaren Person geworden war. Sie sähe hübsch aus an Lamberts Seite, keine Frage, sie würden ein schönes Paar abgeben. Immer noch regte sich nichts in Elgin, das Blut floss ruhig durch die Adern, der Atem ging geschmeidig, und ihr Magen empfand nichts als einen leichten Hunger.
»Gottschalkin?«
Vor ihr verbeugte sich ein junger Mann, während die Gesellschaft sich bereits in Bewegung setzte.
»Ja?«
Er räusperte sich, als er ihr schließlich ins Gesicht schaute. Sie fand ihn recht nervös.
»Entschuldigen Sie, dass ich Sie hier einfach anspreche. Mein Name ist
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