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Die Hebamme

Die Hebamme

Titel: Die Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cantz Kerstin
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Nein.«
    Er setzte den Hut auf und hob den Kopf.
    »Ich sollte mich nicht echauffieren. Der Richter wollte sich nicht erpressen lassen, das ist zu respektieren. Diese Dinge, die Sie Jungfer Schindler zukommen lassen wollten … wäre es möglich …?«
    »Ich werde sie bereitlegen und Marthe unterrichten. Sie finden sicher eine unverfängliche Art, die Sachen in meinem Haus abholen zu lassen. Und ich werde Ihnen eine Beschreibung anfertigen, wie die Mittel anzuwenden sind.«
    »Jungfer Schindler kann nicht lesen.«
    »Dann erklären Sie es ihr.«
    »Erklären?« Collmann räusperte sich. »Wird es sie nicht beschämen, von einem Mann solche Dinge zu hören?«
    »Hatte dieses Mädchen nicht schon Schlimmeres auszuhalten? Sie wird wissen, dass ihr diese Dinge helfen. Und Sie, Herr Anwalt, wenn ich Ihnen raten darf, betrachten Sie es genauso. Vielleicht ähneln sich unsere Professionen in dieser Hinsicht – dass sie in den entscheidenden Momenten Sachlichkeit erfordern.«
    Es bereitete Elgin Mühe, länger zu stehen, ihr Rücken machte sich erneut bemerkbar. Sie sehnte sich danach zu sitzen, am liebsten über den Notizen zu ihrem Buch. Sie wollte eine Liste von Darstellungen fertig stellen, die Handgriffe, Kindswendungen und dergleichen bildlich erläutern sollten. Lambert hatte einen Kupferstecher für sie ausfindig gemacht und mit einem seltenen Anflug von Heiterkeit berichtet, wie ihn das unerwartete Lob seiner Mutter erschreckte, die – als sie ihn über den Kupferstichen des Vaters vorfand – der Ansicht war, er täte endlich etwas für seine Prüfung.
    Der alte Fessler hatte eine umfangreiche Sammlung von Stichen mit Heilpflanzen, Arbeiten, die Elgin im Arbeitszimmer des Apothekers aufgefallen waren. Es drängte sie, den Mann aufzusuchen, aus dessen Werkstatt sie stammten, um zu erfahren, ob er anfertigen konnte, was sie sich vorstellte.
    »Wir sollten den anderen vielleicht langsam folgen«, sagte sie zu Collmann, »meinen Sie nicht?«
    Er trat zur Seite und bot ihr mit einer leichten Verbeugung den Arm. In seiner Ernsthaftigkeit ähnelte er Lambert. Collmann konnte nicht viel älter sein, aber sie schätzte, damit hatte es sich auch schon mit den Gemeinsamkeiten der jungen Männer.
    »Ihre Höflichkeit lässt Sie die Vorsicht vergessen, mit einer Zeugin des Verfahrens gesehen zu werden.«
    Ohne seine Haltung zu verändern, stand Collmann abwartend da, bis Elgin ihre Hand in seine Armbeuge legte.
     
    Das Haus war erfüllt von Heiterkeit und schwerem Hyazinthenduft. Malvine Homberg hatte die Räume großzügig mit den Blüten ausgestattet, auf zierliche Blumentischchen dekoriert und die Festtafel so üppig mit ihnen schmücken lassen, dass der Blumenduft den des Essens zeitweilig überdeckte.
    Elgin war dankbar, als man sich schon bald entschloss, die Fenster zum Garten öffnen zu lassen, um sich weiter an diesem milden Frühlingstag zu erfreuen. Die ausgelassene Stimmung war zwischen sie und den jungen Anwalt geglitten, den man am anderen Ende der Tafel platziert hatte.
    Offenbar war niemandem ihr späteres Eintreffen aufgefallen, die Gesellschaft hatte sie ohne weiteres Aufheben geschluckt und in sich aufgenommen. Die kleinen Töchter des Richters hatten das ihrige getan, um die Gäste von Unregelmäßigkeiten abzulenken. Wie Miniaturausgaben ihrer Mutter, hinreißend gekleidet und frisiert, hatten sie genau gewusst, was man von ihnen erwartete, als Malvine ihnen Christoph Heinrich auf dem Kissen darbot. Sie küssten den kleinen Bruder mit kindlichem Überschwang und lösten Entzücken aus, das häusliche Glück stand außer Frage. Inzwischen waren die Kinder von ihrem Mädchen und der Amme in ihre Räume gebracht worden, um dem Festmahl einen reibungslosen Fortgang zu gewähren.
    Noch bei der Pastete verspürte Elgin eine leichte Anspannung im Gespräch mit ihren Tischherren, bei denen es sich um den Obersten Pfarrer und Friedrich Homberg handelte. Während sich in ihrem Inneren Fragen an den Richter auftürmten, fiel es ihr schwer, die Gedanken von Lene Schindler abzulenken und Andeutungen zu vermeiden. Es wunderte, ja fast beunruhigte es sie, dass Homberg sie noch nicht zu einer Befragung hatte rufen lassen. Er musste doch längst wissen, dass sie das Mädchen im Haus des Töpfers versorgt hatte. Vielleicht hatte er nur die Tauffeierlichkeiten abwarten wollen. Es würde zu ihm passen, die Dinge strikt auseinander zu halten.
    Elgin ertappte sich dabei, eine gewisse Selbstgefälligkeit an den beiden

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