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Die Hebamme

Die Hebamme

Titel: Die Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cantz Kerstin
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dazu bewogen, an die leitende Hebamme, Marie Loisin, zu schreiben. Er hatte bereits mehrere emphatische Seiten an sie verfasst, denn Madame Loisin arbeitete an der Entwicklung eines vielversprechenden Geräts für die innere Beckenmessung. Mit seinem mangelhaften Französisch das Kunststück zu vollbringen, sie für einen Wissensaustausch zu gewinnen, würde einige Zeit in Anspruch nehmen. Vielleicht war es doch klug, das Schreiben an die Loisin von Kilian lesen zu lassen, wie er es ihm angeboten hatte. Clemens machte sich eine weitere Notiz, um nicht zu vergessen, ihm vorher den Artikel über Paris zu geben.
    Die Schreibfeder hätte er nicht unbedingt am offenen Fenster beschneiden müssen. Unwillkürlich ließ er die Hand mit dem Messer sinken, als sie zum ihm hinaufsah. Sie stand noch immer im Fluss, hatte einen Arm zum Schutz vor dem strahlenden Sonnenlicht über die Augen gehalten. Er war sicher, ein Lächeln zu erkennen, und erwiderte es mit einer kleinen Verbeugung. Eigentlich war es nur die Andeutung einer Geste, eine Eingebung, der er mit ungewohnter Spontaneität gefolgt war. Sein Herzschlag verstärkte sich gewaltig. Es war schön.
     
    Die Weiden ließen ihre feinen Äste im Wasser treiben wie silbrige Federn, und Gesa strich sich mit nassen Händen die Haare aus dem Gesicht, bevor sie nach dem nächsten Wäschestück griff.
    Unter ihren Händen glättete sich das Leintuch in der leichten Strömung. Sonnenwärme umfing ihren Nacken und ließ sie schaudern. Sie war versucht, das Laken loszulassen, um zu sehen, wie schnell der Fluss es forttragen würde.
    Hinter sich hörte sie Lotte glucksen: »Na so was. Hab ich’s doch gewusst.«
    ✲
     
     
     
    Den Menschen konnte kaum entgehen, was da angezündet worden war – der Gestank sagte es ihnen. Man hätte nicht auf die Dunkelheit warten müssen, damit sie das Feuer besser sahen. Es musste wohl jemandem eingefallen sein, ein paar Sadebäume verbrennen zu lassen.
    Als einer, der viel unterwegs war auf den Straßen des Landes, wusste Konrad, was es mit den Gehölzen, die dem Wacholder glichen, auf sich hatte. Er wusste, warum man sie Mägdebäume oder Kindertöter nannte und warum ihre Kronen gerupft waren. Es gab Leute, die behaupteten, es seien die Gärten der Wehemütter, in denen sie wuchsen, und es gab andere, die was dagegen hatten. Dann hackten sie die Sträucher ab, zündeten sie an und verräucherten die Luft. Man konnte die Hühnerpest damit heilen, es wurde einem übel davon, selbst wenn man zwei Felder weit von ihnen entfernt war.
    Konrad spuckte in die Nacht.
    Das Einzige, was ihn daran interessierte, war das Geschäft. Er hatte immer genügend Vorrat, da sorgte er besser vor als mancher Apotheker. Er stellte allerdings auch keine überflüssigen Fragen. Bei ihm musste keiner was mit dem Namen zeichnen, wenn er was wollte von ihm. Das machte Konrad zu einem guten Händler.
    Er hockte sich auf den Boden, legte die Arme über die Knie und sah zu, wie die Feuer verloschen. Es gefiel ihm, wie Gärten und Wiesen ins Dunkel sanken. Den Karren hatten sie zwischen die Bäume eines Birkenwäldchens geschoben. Dahinter lag Frieder auf dem Rücken und schlief mit offenem Mund. Käme nicht das Schnarchen aus dem Riesenkerl, könnte man ihn glatt für tot halten. Konrad hatte schon öfter gedacht, wenn Frieder mal was ins Maul fallen sollte im Schlaf, dann würde er dran ersticken. Er sollte bloß aufpassen, wo er sich hinlegte, das sagte er seinem hirnverbrannten Bruder hin und wieder, man konnte ja nie wissen, was so auf einen runterfiel. Manchmal schob Frieder seinen dicken Schädel unter den Karren, mehr passte nicht drunter, schon bei den Schultern ging es nicht weiter. Aber heute wollte Frieder das nicht, vielleicht wegen der Fliegen.
    Er, Konrad, war zum Glück nicht so zimperlich. Schon möglich, dass es ein dreckiges Handwerk war, aber Gott ließ es ihn verrichten. Warum sonst würde er ihn zu diesen Körpern führen? Wer sonst hatte sie vor zwei Tagen zu dieser Herberge geleitet, wo sie wie alle, die in dieser Nacht ein Dach über dem Kopf wollten, auf hingeworfenem Stroh schliefen?
    Wie sonst war es zu erklären, dass der Alte ausgerechnet in der Nacht verreckte, als sie in seiner Nähe waren? Dass niemand ihn unter die Erde bringen wollte? Frieder musste ein paar Ratten den Hals umdrehen, und er, Konrad, brauchte nur die Schulden vom Alten bezahlen und ihn mitnehmen. Konnte sein, dass die Wirtsleute sich wunderten, aber vor allem waren sie

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