Die Heidehexe - Historischer Roman
Weißt du, wie viel Herzeleid er über Niedersachsen gebracht hat und noch bringen wird? Er spricht von einem Glaubenskrieg, dabei geht es ihm um die Pfalzgräfin, deren Handschuh er am Helm trägt.“
„Nicht Christian oder der Pfalzgraf Friedrich V. sind schuld am Elend der Nationen. Kaiser Ferdinand II. und der Wittelsbacher Maximilian haben durch ihre Machtgier das Leid über alle gebracht. Der protestantische Pfalzgraf war rechtmäßig gewählter König von Böhmen. Durch Hinterlist haben sie ihn in der Schlacht am Weißen Berg der Krone beraubt und zudem wurde von Wallenstein fünfundvierzig Adligen, die nicht geflohen waren, der Prozess gemacht. Siebenundzwanzig verurteilte man zum Tode, den Rest zu langjährigen Haftstrafen und körperlicher Züchtigung. Zwölf Köpfe von Hingerichteten nagelte man an den Altstädter Turm der Karlsbrücke, dazu die rechte Hand des Grafen von Schlick, der ein verantwortlicher Führer der Protestanten war. “
„Lass mich zufrieden mit deinen blutrünstigen Geschichten. Eure Armee geht auch nicht besser mit den Feinden um. Und ob deine Erzählung der Wahrheit entspricht, sei dahingestellt.“ Karina schüttelte sich vor Abscheu.
„Du glaubst mir nicht? Köpfe und Hand hängen noch heute dort, sollen zur Abschreckung für andere Gegner des Kaisers dienen. Und Maximilian? Der hat von Ferdinand zum Dank für seinen Verrat die böhmische Krone erhalten und wird sich auch noch die Pfalzgrafenwürde einverleiben, wenn Christian mit seinen Truppen nicht rechtzeitig dem Mansfelder zu Hilfe kommt.“
„Was geht es uns an, wer dort oben an der Spitze seine Ruhmsucht auslebt? Ist einer wie der andere, wenn’s darum geht, das Volk ausbluten zu lassen, ihm die Ernte zu zerstören, die Höfe anzuzünden, zu rauben, zu plündern, zu morden. Du und der Grimmshagener seid willfährige Komplizen des Braunschweigers. Soll ich dir erzählen, was die Mütter abends mit ihren Kindern beten? Ja? Hör gut zu.
Versteck dich, mein Kind, unterm Bette
und bete, dass Gott uns errette
vorm Krieg und vor Krankheit und Hungersnot.
Vorm Braunschweiger auch. Der bringt uns den Tod.
Er reitet mit schauriger Meute,
vergreift sich an wehrloser Beute
un d setzt auf die Dächer den glutroten Hahn,
der irre, der tollkühne Christian.
Nun, was sagst du?“, fragte Karina.
Isabella schluckte, bleich geworden. „Kein schönes Gebet. Wenn ihr so über Christian, Victor und mich denkt, ist es wohl besser, nicht zu bleiben.“
„Du kannst dich bis zur Geburt deines Kindes hier aufhalten. In deinen Adern fließt unser Blut. Darum werden wir dich nicht verstoßen. Wo könntest du sonst auch hin? Nur musst du verstehen, dass wir von deinem Lebenswandel nicht erbaut sind.“
Ich von dem eurigen auch nicht, wollte Isabella erwidern, biss sich jedoch rechtzeitig auf die Lippen. Die Base hatte ja recht. Wo sollte sie sonst hin?
Nachts lag sie wach, zählte die Sterne, die durch die Zeltrisse leuchteten. Wie soll es weitergehen, dachte sie und ertappte sich dabei, dass sie der dumpfen Angst, die in ihr hochkroch, Einlass gewährte. Einer Krake gleich, umklammerte die Seelenpein mit ihren Tentakeln Verstand und Gemüt, lähmte jedes andere Gefühl, verbreitete schwarze Leere in ihr.
Rote Schatten warf das Feuer, um das sich die Zigeuner auf dem Innenhof versammelt hatten. Sie sangen, lachten u nd tanzten um die Flammen. Fernando spielte auf seiner Geige. Isabella hatte man ausgeschlossen. Sie lauschte den wehmütigen Klängen, beobachtete die Schatten von ihrem Lager aus, wie sie in ihrem Zelt Figuren an die Wände malten. Im Halbdunkel erkannte sie ein Gesicht.
„Mutter?“ fragte sie zögerlich.
„Ja, mein Kind. Ich bin hier, um dich zu trösten, dir die Angst aus der Seele zu reißen.“
„Komm doch näher, Mutter und setz dich neben mich.“
„Ich kann die Wand nicht verlassen, bin nur der Fetzen eines Schattens, und trotzdem Wirklichkeit.“
„Ach, Mutter, gerade jetzt brauche ich deine Hilfe, bin so entsetzlich einsam.“
„Ich weiß. Wie die Familie dich behandelt, ist schäbig. Noch heute werde ich mit deiner Großmutter ein ernstes Wort reden. Sie soll nicht die gleichen Fehler an dir begehen, die sie mir zugefügt hat. Niemand darf eine Unwissende ächten, sie für die Schuld anderer büßen lassen.“
„Dann ist es nicht der Krieg, in den ich Christian von Braunschweig folgte, der sie derart gegen mich eingenommen hat, dass sie mich mit Verachtung strafen?“
„Nein, mein
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