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Die Heidehexe - Historischer Roman

Die Heidehexe - Historischer Roman

Titel: Die Heidehexe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gloria Frost
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ihr nie der Gedanke kam, Christian gehöre ebenfalls zu der Meute der verblendeten Kriegsführer. Für sie hatte er den Status eines Helden, der sich mutig den katholischen Angreifern in den Weg stellte, für das Recht auf Glaubensfreiheit sein eigenes Leben riskierte.
    Ein Rebell, der den zahlenmäßig so weit überlegenen Kaisertreuen die Stirn bot. Sie bewunderte ihn dafür, schloss ihn, Victor u nd die protestantischen Kämpfer jeden Abend in ihre Gebete ein, die sie erst an den Christengott und im Anschluss an die germanischen Gottheiten richtete. Man wusste ja nie …
    Sie schlief wenig in dieser Zeit, immer auf der Hut vor ihren Verwandten, von denen sie Böses befürchtete. Beständig sah sie ihr Leben in Gefahr, litt unter einem regelrechten Verfolgungswahn.
    Das änderte sich schlagartig am vierundzwanzigsten Februar, ihrem Geburtstag, an dem sie sechzehn Jahre alt wurde. Sie hatte ihre Kette mit den blauen Steinen des Lebens umgelegt und wollte wie gewohnt auf dem Vorplatz ihre warme Milch mit Honig und Haferbrei einnehmen. Der Tisch war leer. Keine Menschenseele zu erspähen.
    Suchend schaute Isabella sich um. Da kam die gesamte Sippe aus Großmutters Zelt gestürmt, stellte sich in Reih und Glied auf, brachte ihr ein Ständchen. Gerührt wischte das Mädchen sich eine Träne aus dem Auge. Noch nie in ihrem bisherigen Leben hatte, außer Rubina, jemand von ihrem Geburtstag Notiz genommen.
    Jeder überreichte Isabella ein handgefertigtes Teil für ihr Anfang März zu erwartendes Kind. Hemdchen, Höschen, kochfeste Windeln en gros, Wickeltücher, warme Decken, gestrickte Mützen, und Onkel Luigi hatte sogar eine Wiege geschnitzt, Rinaldo und Fernando hölzerne Pferdchen zum Spielen. Überwältigt von so viel Zuneigung, schämte die werdende Mutter sich ihrer argwöhnischen Vermutungen und genoss die Umarmungen und Küsse. Meine Familie, dachte sie und ein warmes Gefühl der Liebe und Dankbarkeit durchströmte ihren Körper.
    Pavor saß auf Karinas Schulter, schlug aufgeregt mit den Flügeln und krächzte pausenlos: „Glückwunsch, Isabella.“
    Als Großmutter persönlich Feuerblut und Herzgestein am Zügel führend, auf sie zukam, ihr gratulierte und schelmisch sagte: „Nun schenke ich dir die Pferde zum zweiten Mal. Aber diesmal für immer“, konnte Isabella nicht anders, als sich schluchzend an den Busen der Alten zu werfen und den Tränen freien Lauf zu lassen.
    In Großmutters Zelt war der Tisch mit Kuchen und Torten gedeckt, die von den Tanten in aller Heimlichkeit gebacken worden waren, Großmutter setzte sich auf ihren Thron aus weichen Kissen, zog Isabella auf ihren Schoß als sie die Enkelin über und über mit Küssen bedeckte, kuschelte jene sich wie damals beim ersten Zusammentreffen an sie und schloss die Augen.
    Sofort umfing sie der Duft von Rubina. U nd da wusste Isabella endgültig, dass sie geliebt wurde und keiner aus der Familie ihr je ein Leid zufügen würde.
    Das fahrende Volk verstand zu feiern. Und Isabella war eine von ihnen. So empfand sie diesen Geburtstag als den schönsten ihres jungen Daseins. Tanzen, Lachen, Singen endete den ganzen Tag nicht. Am Abe nd saßen alle um das Lagerfeuer. Selbst Großmutter hatte sich ihre Kissen davor legen lassen, sprach, genau wie die anderen, dem Branntwein ordentlich zu. Die Flaschen kreisten in der Runde, und mit jedem Schluck wurde die Gesellschaft fröhlicher und ausgelassener. Dennoch achteten sie darauf, dass Isabella keinen Tropfen Alkohol zu sich nahm, sollte sie doch einem gesunden Kind das Leben schenken.
    Weder Victor noch Christian, Alwin oder Barbara hatten ihr eine Karte oder einen Brief zukommen lassen. Es störte das Zigeunermädchen nicht, war ihr Geburtstag in der Vergangenheit doch nie einer Erwähnung für würdig empfunden worden. Desto mehr freute sie sich über die Feier, die ihre Familie für sie ausrichtete.
    Kurz vor Mitternacht kam sogar Rinaldo angeritten, gerade noch rechtzeitig, um ihr zu gratulieren. Vorsichtig hob er einen kleinen Jungen vom Pferd und stellte den schlaftrunkenen Hosenmatz auf die Füße. Er hielt einen Blumenstrauß in den Händchen, den er Isabella mit den Worten überreichte: „Da, für dich, Tante.“
    „ Winfried“, rief sie überrascht, „was machst du denn hier, mein kleiner Schatz?“
    „Er bleibt vorläufig bei uns. Das Schlachtengetümmel ist nichts für eine Kinderseele. Sie könnte einen Schaden fürs ganze Leben davontragen“, war Rinaldos knapper Kommentar. Ungefragt

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