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Die Heidehexe - Historischer Roman

Die Heidehexe - Historischer Roman

Titel: Die Heidehexe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gloria Frost
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Locken Barbaras hängen zu bleiben. Einen Moment schien es Alwin, als spiegele sich blankes Entsetzen in den trüben Pupillen. Abwehr, Widerstand, Hass. Böser, funkelnder Hass. Und dann lachte sie. Spitz, schrill, gurrend. Unter anderen Umständen hätte Alwin es als das unsichere Kichern einer verlegenen Jungfer abgetan, doch in dieser bedrückenden, unwirklichen Atmosphäre klang es wie das verschwörerische Gelächter einer Hexe. Das Mädchen streckte seine weiße Ha nd nach Barbara aus, zupfte ihr mit Marmorfingern ein Büschel aus dem Seidenhaar.
    Da schlug Bernhard zu. Nicht hart, nicht fest. Es war mehr ein Klaps, der signalisieren sollte, Hände weg von unserer Freundin.
    Das Mädchen duckte sich wie unter Kugelhagel, stieß ein klägliches Winseln aus und rannte, ohne sich noch einmal umzudrehen, in das hinter der Tenne wuchernde Dickicht aus Dornenhecken und Holunder. In den Wipfeln der schorfigen Blutbuchen rauschte es dumpf.
    In selbiger Sekunde wussten alle, dass er das besser nicht getan hätte und tief in ihrem Innersten erahnten sie bereits kommendes Unheil.
    „Was fällt dir ein, Bernhard?“, riss Christians wütende Stimme ihn aus der Versteinerung. „Du kannst doch nicht einfach auf wildfremde Menschen losprügeln. Was hat das Mädchen denn verbrochen? Es wollte nur gut Freund mit uns sein.“
    „Oder auch nicht“, unterbrach Alwin sein Wortgefecht. „Die hat nichts Gutes im Schilde geführt. Wie durchdringend sie uns alle angeguckt hat. Als ob sie uns verhexen könnte.“
    „Und ihre kalten Hände“, jammerte Barbara, kuschelte sich dicht an Victor, der am nächsten stand.
    „Mir reicht’s für heute“, erklärte dieser, „ab in die Kaserne.“
    Welch innerer Schweinehund war es, der Christian dazu trieb, energisch zu widersprechen, obwohl auch er längst die Nase voll hatte von dem vermaledeiten Klosterausflug. Warum bloß musste er stur auf der Kapellenbesichtigung beharren, sogar mit sichtlicher Genugtuung das wachsende Unbehagen seiner Kameraden registrieren?
    „Es war ein seelischer Druck, ein unerklärlicher Zwang, als hätte ich in Trance gehandelt“, würde er jedem, der es hören wollte, immer und immer wieder erläutern.
    Was soll’s? Sinnlos, sich hinterher den Kopf zu zerbrechen, ob das Verhängnis noch abzuwenden gewesen wäre. Müßig, darüber zu spekulieren, inwieweit das Schicksal durch menschliches Verhalten beeinflussbar ist und ob es vielleicht doch manchmal ein Einsehen hat? Gnade walten lässt, wenn man es nicht herausfordert?
    Christian stürmte, einem Besessenen gleich, auf das schmiedeeiserne Tor zu. Modrige Kälte schlug den Freunden aus dem dämmerigen Kirchenschiff entgegen. Die Scheiben der hohen, verbleiten Bogenfenster ließen nur spärliche Lichtschimmer herein, waren sie doch mit grässlichen Bildern zugemalt, auf denen Sankt Georg mit Satan, in Gestalt eines Drachen, kämpfte, während ihn höllische Dämonen umschwirrten.
    Auch an den stuckverzierten Wänden des Rippengewölbes überall beklemmende Gemälde von Tod und Verdammnis. Vom rotseidenen Baldachin, der sich über Gestühl und Altar wie eine flammende Feuerkuppel spannte, grinsten die Vollstrecker des Jüngsten Gerichtes. Aus den Nischen des Seitenganges, der zu den bröckeligen Treppenstufen der Krypta führte, sprangen die apokalyptischen Reiter in voller Lebensgröße, als täuschend echte Steinfiguren, hinter den Pfeilern hervor.
    Barbara bemerkte, dass sich ihre Nackenhaare sträubten.
    „Großer Gott, ist das unheimlich“, raunte s ie und klammerte sich an Alwins Schulter fest. Dem war ebenfalls nicht sonderlich wohl in seiner Haut, vermochte er doch nur mühsam das Zähneklappern zu unterdrücken. Stumm standen sie, vom Anblick des düsteren Szenarios überwältigt.
    Nicht so Christian, Victor und Bernhard. Sie nutzten die Gunst der Stunde, sich unbehelligt in einer katholischen Kirche zu bewegen, und galoppierten wie eine Herde Fohlen zwischen Bänken, Weihwasserbecken und Sakristei herum.

„Alles hört auf mein Kommando. Mir nach!“, feuerte Christian die beiden an, während er mit einem Hechtsprung auf der Empore landete.
    „Mir nach … Mir nach … Ach … Ach … Ach!“, schallte es jammernd aus der Dachkuppel herab. Verwundert lauschten die Freunde dem Widerhall.
    „Keine Bange“, lachte Christian, „das ist nur das Echo. Passt mal auf, wie es mir antwortet. Er baute sich in der Mitte der Kapelle auf, formte die Hände zu einem Trichter und brüllte aus

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