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Die Heidehexe - Historischer Roman

Die Heidehexe - Historischer Roman

Titel: Die Heidehexe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gloria Frost
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heulten, so gut sie konnten.
    Isabella lief der Schweiß in Sturzbächen am Körper hinab. Sie achtete nicht darauf, gönnte sich keine Verschnaufpause.
    Unvermittelt grabschte eine fleischlose Hand nach ihrem rechten Bein, krallte sich darin fest.
    „Hilfe“, raunte eine brechende Stimme. „Hilfe. Bitte, bitte Hilfe. Und Verzeihung.“
    Verstört sah die Gräfin die knöchernen Finger. Sie bückte sich, um den sich vor Schmerzen Krümmenden zu betrachten – und schrie auf. Augenblicklich sprangen die Familienmitglieder hinzu.
    „Was ist los, Isabella?“, unterbrachen sie das bisherige Schweigen und stellten sich schützend vor sie. Gewaltsam löste Fernando den Griff des Pestkranken, der sich nunmehr an ihren Rock zu klammern versuchte.
    „Mir wurde plötzlich schwindelig. Ein Anfall von Schwäche. Ist bereits vorüber.“
    „Du mutest dir zu viel zu. Mach Schluss für heute. Wir schaffen die Betreuung der restlichen Patienten allein“, sagte Karina und wollte sie fortziehen.
    „Nein, nein. Es geht mir besser. Ich stehle mich nicht aus meiner Pflicht.“
    Die Zigeuner verstreuten sich, denn es gab noch viel zu tun.   
    Isabella aber starrte das schmerzverzerrte Bündel zu ihren Füßen hasserfüllt an.
    „Was hältst du für deine Pflicht?“, fragte der Kranke ängstlich und versuchte, davonzurobben.
    „Meine Pflicht ist es, dich totzutreten, Josef Walz. Aber das wäre zu schnell. Du sollst leiden, wie ich gelitten habe, als mich dein Bruder Gregor vergewaltigte.“
    „Leide ich nicht schon lange genug? Ist die Strafe nicht fürchterlich?“
    „Du bist der Schuldige, dass ich für vogelfrei erklärt wurde, obwohl du wusstest, dass ich die Wahrheit sprach, nicht dein verfluchter Bruder.“
    „Er hat teuer für sein Verbrechen gebüßt. Und ich auch. Bitte, Engel der Barmherzigkeit, vergelte nicht Gleiches mit Gleichem. Tritt mich tot, doch setze mich nicht länger dieser Marter aus.“
    Isabella verzog das Gesicht vor Abscheu. „Versuch nicht, dich bei mir einzuschmeicheln, Josef Walz. Ich will Gerechtigkeit.“
    „Du willst Rache.“
    „Ist es nicht dasselbe?“
    „Wird wohl so sein“, stöhnte der Müller und sackte noch mehr zusammen.
    In Isabella tobte ein Widerstreit der Gefühle. Lass ihn verrecken, forderte ihr Verstand, er hat es verdient. Sieh 
    das geschundene Lebewesen. Hat es nicht seine und die Schuld des Bruders gesühnt? meldete sich zaghaft ihr Gewissen.
    „Nein“, erwiderte sie hart, als die Bilder der Vergewaltigung vor ih r aufblitzten. Raschen Schrittes hastete sie weiter, warteten doch so viele auf Linderung. Ohne ihr Zutun wendete sich ihr Kopf rückwärts, blickte auf den Blut hustenden Müller. Und wie unter einem Zwang drehte sie um, kniete sich vor ihn.
    „Mein ist die Rache, spricht der Herr“, flüsterte sie und schenkte dem verdutzten Kranken einen Becher voll Mohnsaft und Rosenextrakten ein.
    „Trink“, sagte sie, „und deine Schmerzen werden verschwinden. Morgen schaue ich wieder nach Dir und werde versuchen, dich von Gevatter Tods Schippe zu hieven. Ob es gelingt, liegt nicht in meiner Hand.“
    Josef Walz wusste nicht, wie ihm geschah, berührte zögerlich das Gefäß mit dem kostbaren Inhalt. Es rutschte ihm aus zitternden Fingern. Reflexartig fing Isabella es auf und träufelte dem Hilflosen die Flüssigkeit in den weit geöffneten Mund.
    Der Müller wollte ihr die Füße küssen. Sie trat einen Schritt zur Seite. „Lass das. Ich werde mich um deine Rettung bemühen. Verzeihen aber nie.“
     
     
    4 6
     
    Seit dem Tod der Herzogin bewohnte Isabella jenes Spitzgiebelhaus, in dem Rubina gelebt hatte. Der von ihrer Mutter über alles geliebte Garten, den sie mit Hingabe gehegt und gepflegt hatte, war verwildert. Unkraut und Wildpflanzen wucherten mannshoch. Ein undurchdringliches Wirrwar, in dem sich Mäuse, Marder und Ratten tummelten, fette, schwarze Spinnen ihre Netze webten und unzählige Arten von Käfern krabbelten.
    Mütterlein , dachte die Tochter, hier hast du deine Schäferstündchen mit dem Herzallerliebsten verbracht. Es war die schönste Zeit deines Lebens, in der dich der Graf von Grimmshagen begehrte. Wenn du wüsstest, dass sein Sohn mich ebenso betrogen hat, wie der Vater dich. Die Worte haben sich bewahrheitet, in denen du mich warntest, in deine Fußstapfen zu treten. Damals habe ich dich ausgelacht. Heute verstehe ich deine Verbitterung.
    Sie schloss die Augen. Jede Pore des Hauses und des Gartens strahlte Rubinas Geruch aus. Den

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