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Die Heidehexe - Historischer Roman

Die Heidehexe - Historischer Roman

Titel: Die Heidehexe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gloria Frost
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postierten Fußsoldaten drängten mit ihren langen Piken herein, um aufzuspießen, wer immer sich ihnen in den Weg stellte. Wen fanden sie vor? Lediglich Isabella, die sich das Herz aus dem Leibe schrie. Christians Verwandten und die Zigeuner kannten sich aus, hatten durch Schlupflöcher und Geheimausgänge längst die Stätte der Katastrophe verlassen. Würde n nicht das heillose Durcheinander, die umherrollenden Köpfe, verstümmelten Körper und Seen aus Blut das Massaker bekunden, hätte man das grausige Geschehen für eine Sinnstäuschung der übelsten Art halten können.
    Weil niemand zum Aufspießen vorhanden war, konzentrierten sich Graf von Anholt und seine Mannen auf das schwache Weib, das gegen sie anrannte und ihnen mit langen Fingernägeln die Gesichter aufritzte.  
    Katholische Eiferer packten die Tobende, steckten sie in einen Sack, den sie oben zuschnürten und in eine Kutsche warfen. Sie bekam während der nächsten Tage kaum Luft in dem staubigen Fasergespinst, spürte jedes Rumpeln auf der Fahrt nach Paderborn, wo sie sich unversehens im Narrenturm wiederfand.
    Gefesselt an Händen und Füßen, war eine enge Zelle für lange Zeit ihre Bleibe. Hier gebar sie Christians Sohn, der ihr gleich nach der Entbindung von der vermummten Hebamme weggenommen wurde. Nicht einen einzigen Blick auf ihr eigen Fleisch und Blut gönnten ihr die Wärter. Sicher haben die Unmenschen ihn getötet, dachte sie und weinte monatelang um den Säugling. Nach und nach beruhigte sie sich damit, dass ihm das Erdenleid erspart blieb. Wenn sie an ihre behinderten Zwillinge dachte, krampfte sich ihr Herz zusammen. Wie mag es euch wohl gehen, sinnierte sie nächtens, sobald Wilhelms und Alexanders Bilder auftauchten, inmitten tanzender Schatten von Verblichenen, die ihr zuwinkten.
    Ab und zu führten Wärter die Irren dem Volk vor. Dann bekamen sie eine Schandmaske verpasst und wurden in Außenkäfigen zur Schau gestellt, damit jeder seine Launen an ihnen auslassen konnte. Beschimpft und angespuckt, ertrugen sie Steinwürfe, die ihnen mitunter tiefe Wunden zufügten, Tritte durch die Gitter und andere Grausamkeiten, bei deren Erfinden die Bürger Paderborns sich recht einfallsreich zeigten.
    So war es an der Tagesordnung, dass den Wahnsinnigen mehrere Kübel mit Urin, Kot und stinkendem Unrat unter dem Gejohle über Kopf und Gesicht geschüttet wurden. 
    Schrien und verrenkten sich die Ausgestoßenen bei be sonders schmerzhaften Peinigungen, war das Anlass zu größter Heiterkeit unter den Gaffern.
    Anfangs hatte Isabellas Geheul unaufhörlich durch die Gänge des Narrenturms gegellt. Schmerz um den Verlust Victors, die Trennung von ihren Kindern und Verwandten, das Geständnis ihres Gatten in seiner Todesstunde und die allgegenwärtige Trauer um Rubina ließen sie, trotz schwerer Ketten, Veitstänze vollführen. Die Bestrafung folgte auf dem Fuße. Mit glühenden Eisen malträtierten die Bewacher ihre empfindliche Haut an Schenkeln und Gesäß. Brandzeichen fürs Leben.
    Als ihr in den Sinn kam, dass als Nächstes Bauch, Brüste und womöglich das Ges icht für alle Zeiten mit jenen Blessuren verunstaltet würden, biss sie sich auf die Lippen, um ihre Verzweiflung nicht länger nach außen dringen zu lassen.
    Die Unglückliche begann, einen unsichtbaren Kokon aus Stumpfsinn und Hoffnungsleere um ihre Seele zu spinnen. Mit Gleichmut ließ sie fortan die Schändungen über sich ergehen.
    Einziger Lichtblick war der einmal im Jahr aufkreuzende Arzt, der bei den Insassen festzustellen pflegte, ob sie weiterhin im Narrenturm ihr Dasein fristen mussten oder in die Freiheit entlassen werden konnten. Bei Verbrechern bedeutete das allerdings, dem Henker übergeben zu werden.
    Da sie sich k einer Schuld bewusst war, glaubte sie jedes Mal, endlich dem Irrenhaus den Rücken kehren und ihre Kinder wieder in die Arme schließen zu dürfen. An Großmutters Busen ausweinen, dachte sie, ihre zärtlichen Finger durchs Haar gleiten fühlen. Jedes Mal vertröstete sie der graubärtige Arzt auf seinen nächsten Besuch.
    So gingen fünf lange Jahre ins Land, in denen Isa bella sich in einem schwarzen Stollen wähnte, aus dem es kein Entkommen gab.
    Am schlimmsten waren die Nächte, in denen tausend Spinne nfinger nach ihr griffen, Kraken mit klebrigen Tentakeln dem Mädchen die Luft abdrückten, Gruselgestalten um sie herumschlichen und die Stimmen im Kopf wisperten: „Wir sind überall. Dreh dich nicht um. Du bist ganz allein. Niemand ist da, dir

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