Die Heidehexe - Historischer Roman
kräftigen Bissen aus dem Brustfett, wurde vom Albino Gregor Walz rüde beiseite geschubst, denn die Brüste wollte er.
Selbst der Gutsherr Arnuldus, der die Dienstmägde schwängerte, stolzierte am Arm seiner holden Gemahlin heran. Er kannte die Stube von früheren Treffen genau, wenn die Hebamme aus der Verlegenheit geholfen hatte. Für seine Feinsliebchen war sie oft die Rettung gewesen. Rubinas Künste hatten bei ihm hoch im Kurs gestanden. Gern hatte er der Engelmacherin blanke Taler dafür in die Kitteltasche gesteckt. Aber heimlich, klammheimlich. Es brauchte keiner davon zu wissen. Und verraten konnte sie ihn jetzt nimmer. Darum mundete der Totenbrei ihm doppelt so gut.
Immer länger reihten biedere Bürger sich in die Schlange ein. Das Gedränge war groß. Jeder wollte vom Fleisch der Verruchten kosten, alle das sündige Fett probieren, sich mit sabbernden Lippen daran weiden. Schleimiger Geifer rann aus den Mündern der Weiber und Männer, die von Sinnen vor Lust an Knochen und Sehnen knabberten. Ohne Scham, ohne Scheu, ohne Reue.
„Haltet ein“, flehte ein Stimmchen. „Seid ihr nicht mehr bei Trost?“ Isabella erschien im Türrahmen. Ihre Augen funkelten vor Zorn und Entsetzen beim Anblick des makabren Schauspiels. Augenblicklich lähmte sie das ruchlose Tun. Und die Frömmler horchten und gafften.
Harras pfiff durch die Zähne, geblendet von ihrer Schönheit. Wohin bloß mit all dem Liebreiz im Gemäuer voll Blut und voll Wunden?
„Komm, du Tochter der Hexe. Sollst die Meine heut sein. Bist du willig, dann lass ich dich frei. Sonst wirst du statt deiner Mutter verbrennen.“
Taumelnd grabschte er nach dem Haarschopf, zog das Mädchen heran, wollte die pochende Geilheit stillen. Er hatte nicht mit Bernhard gerechnet, der von der Küche aus den Angriff verfolgte. Geballte Kraft schleuderte den Unhold zu Boden. Fäuste wie Granit boxten wild auf ihn ein. Harras schrie laut vor Schmerzen, als ein Rinnsal aus Blut seine Stirn hinunterlief. Geschmack nach Eisen erfüllte seine Mundhöhle, während ihm durch einen weiteren Hieb gleichzeitig fünf Zähne aus dem Kiefer purzelten.
Es bedurfte drei der stärksten Burschen, um den Berserker zu bändigen. Flugs schlang ein Vierter Hanftaue um die Gelenke von Armen und Beinen. Wehrlos musste der Besiegte sehen, wie Harras, der Oberwasser gewann, auf ihn zustolperte und drohend die Muskeln spielen ließ.
„Sag, wer bist du denn, du Koloss aus Fleisch und aus Speck? Was wolltest du von mir?“, nuschelte er durch die Zahnlücken und spie dabei Blut.
„Totschlagen!“, brüllte Bernhard.
„Du wolltest mich totschlagen?“
Eifrig nickte der Gefesselte mit dem Kopf.
„Ich glaube es nicht. Ich glaube es nicht. Damit hast du dein Schicksal besiegelt. Der Henker wird kurzen Prozess mit dir machen. Aber vorher wirst du meine Faust zu spüren bekommen.“ Harras trat näher, wollte ihn am Kragen packen.
„Keinen weiteren Schritt mehr. Sonst steche ich dich ab.“ Fest stand Richard, der Hüne. Wie ein Fels. Urgestein. Und das Messer blitzte in seiner Rechten.
„Kerl, was soll das?“, fragte Harras befremdet. „Sind wir nicht immer Freunde gewesen? Richard Sander, du bist mein Vertrauter, Kamerad auf Gedeih und Verderben.“
Sander schüttelte den Grauschopf, schlug die Hand aus, die Harras ihm reichte. „Das war gestern. Jetzt sind wir geschiedene Leute. Das Maß ist voll. Sieh dich vor. Es ist nicht gerade klug, mein Gegner zu sein. Und mein Feind bleibst du nun fürs Leben.“
„Sag, warum nur? Wegen der da? Der Roten? War ein Spaß, weiter nichts. Du kennst mich gut, bist ja selber sonst kein Kostverächter. Oder ist’s wegen der Alten? Mach den Mund auf und sprich.“
Doch die Antwort blieb Richard ihm schuldig, denn Bernhards Geheul gellt e durchs Haus, weckte die Rächer aus trunkenem Koma.
Sie guckten sich mit leeren Augen an, senkten züchtig geschwollene Lider, schielten verlegen umher, hüstelten, wandten steif sich zum Gehen, Ekel überfiel sie. Die von Vergeltung Getriebenen schämten sich derartig, dass sie Hals über Kopf ins Freie wollten, die Jackenkragen hochschlugen und ihre Hüte tief ins Gesicht zogen, jeglichen Blickkontakt meidend, um nach Hause zu eilen und sich vor der Außenwelt zu verbarrikadieren.
„Bleibt!“, rief Harras. „So läuft das nicht. Hier geht niemand, bevor ich den ersten Schritt tue. Zuerst will ich wissen, was es mit dem Fettwanst auf sich hat. Dann sehen wir weiter.“
„Er heißt
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