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Die Heidehexe - Historischer Roman

Die Heidehexe - Historischer Roman

Titel: Die Heidehexe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gloria Frost
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Bernhard und ist der Sohn der Hebamme. Sie hielt ihn vor aller Welt hier verborgen. Doch ich habe den schon als kleinen Jungen gekannt. Der tickt im Oberstübchen nicht ganz richtig“, gab die Waschfrau ihm Auskunft. Sie wusste im Dorf über jeden Bescheid und streute für ihr Leben gern üble Gerüchte.
    „Was? Die hat einen Sohn? Gibt es dazu denn auch einen Vater?“
    Ungeniert stierte der Pöbel Richard an. Dem war das unangenehm. Trotzig prahlte er: „Na, von mir ist der nicht. Dafür müsste ich mich ewig schämen. Wird der Bastard von einem der Lüstlinge sein, die sie damals für Liebe bezahlten.“
    „Wenn dem so ist“, sagte Harras und grinste dabei, „dann muss er für die Zeche jetzt blechen. Mein Auftrag ist, die Mörderbrut mit Stumpf und Stiel auszurotten. Daran wird mich keiner von euch hindern.“
    „Der Befehl lautet anders. Das weißt du genau.“ Richard schwoll der Kamm vor Ingrimm. „Sieh dich vor, Harras, sonst baumelst du selbst bald am Ast. Graf von Grimmshagen fackelt nicht lange.“
    D a hatten sie es eilig. Mit dem Grafen wollte es sich keiner verderben. Es war nicht gut Kirschenessen mit dem von der Burg. Mancher Bauernhof hatte bereits in Flammen gestanden, wenn dem Herrscher eine Laus über die Leber gelaufen war, eine Wolke seinen Horizont trübte oder die Kriegsnächte ihm wieder einmal den Schlaf raubten.
    Harras ließ sich nicht einschüchtern. „Dieses Jüngelchen führ ich in Ketten zum Herrn. Mag er Kurzweil mit Rubinas Spross treiben. Und die Tochter soll ihm die Nächte versüßen. Beide liefere ich ab, ob’s dir passt oder nicht, Richard. Von dir nehme ich keine Anweisungen mehr an. Du hast es so gewollt. Los, Marsch.“
    Auf der Diele sprang den Eindringlingen die Birnbaumtruhe ins Auge, morbide, mit Eisenbeschlägen, völlig leer, wie es schien. Sie wurde Ruhestätte der abgenagten Gebeine. Durch ihr Reich aus Kräutergold und Knochensilber gab Graf Alois’ finstere Eskorte der grauen Todesfürstin das letzte Geleit, trug sie hinaus in die feindliche Welt.
    Im Schein der Fackeln löste sich ein Schatten. Hinter der Linde ballte er die Faust, reckte sie gen Norden, zur Burg empor.
    „Wehe euch! Wehe euch allen!“
    Seinen Fluch fraß der Wind. Die Kontur verschwamm, löste si ch auf, tauchte ein in den Quell der Nacht.        
     
     
    7     
     
    Junger Frühling warf gnädig einen Nebelmantel um den Tross, der mit Regenschuhen Niedersachsengrund narbte, die Truhe mit Rubinas kümmerlichen Resten im Bauch, von kräftigen Landsern geschultert.
    Lange schon waren die Fackeln erloschen. Keiner sah den anderen. Sie stapften für si ch allein über nackte, gerodete Felder. Niemand sprach ein Wort in den steinigen Gärten der Stille, wo jeder Schritt als Schmerzschrei widerhallte. Rau hechelte Ostwind durch Erlengefieder, und der Rabe flog schweigend dahin.
    Lautlos waren auch die Gedanken, die sich in den Hirnen der Vollstrecker einnisteten. Sie ließen sich nicht vertreiben, wichen keiner Vernunft. Wie sie tobten, folterten, quälten. Und sie raunten: „Was habt ihr getan? Sünde mit Sünde vergolten. Wer gab euch das Recht, die Hebamme zu verstümmeln, noch nach ihrem Tod? Kannibalen. Seid nicht besser als Rubina, die euch auf diese Welt brachte. Sie hat viele von euch aus der Mütter Leib geholt. Ohne sie gäbe es die meisten gar nicht. Sagt, was war euer Dank? Leichenschändung habt ihr an ihr betrieben.“
    Die den Nebel durchschritten, neigten die Häupter. Ihre Mägen glichen Holzkreiseln, rumpelten hin, rumpelten her. Man cher ergoss sauren Brei in Furchen, die Frühlingssaat bargen.
    Der Wind frischte auf, pfiff den Sündern verächtlich um die Ohren: „War das Weib nicht selbst Opfer? Von Herrschern missbraucht, deren Wollust sie furchtsam sich beugte? Sind nicht Kaiser und Fürsten die schlimmeren Mörder? Lassen das Volk für ihre Dickköpfe bluten, führen grausame Kriege im Namen des Herrgotts. Glaubt ihr, der Vater im Himmel heißt das gut? Nein. Macht heißt die Droge, der jeder des Adels erliegt, die ihn antreibt mit lechzendem Fieber. Dafür setzen die Herrschaften wehrlosen Häuslern den roten Hahn aufs Dach, weil sie sich stets im Recht fühlen und alles selbstgefällig nehmen, egal, ob sie rauben, plündern und martern. Sucht unter Wurzeln. Unter den Steinen. Unter dem Röhricht am See. Überall Tote. Überall Leichen.“      
    An die Großen, da kamen die Rächer nicht dran, doch die Wehmutter war schon so alt und so schwach.

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