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Die Heidehexe - Historischer Roman

Die Heidehexe - Historischer Roman

Titel: Die Heidehexe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gloria Frost
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An der hatten sie ihr Mütchen kühlen können, ihr warmes Blut getrunken, sich nicht gescheut, ihr Fleisch, Aasgeiern gleich, aufzufressen.
    Schwarze Vögel waren sie, die Gedanken im Kopf, schwirrten auf, schwirrten ab wie Rubinas Rabe Pavor in luftigen Höhen. Doch der Rabe schwieg.
    Wurde der Nebel nicht dichter? Wie eine undurchdringliche Zauberwand, die ihnen den Weg verwehrte? Wollte Odin sie im Gewand aus feuchten, glibberigen Fetzen gefangen halten, diese bizarre Nacht nie enden lassen? In der Ferne quiekte es kläglich, unheimlich, voll Todesangst. Sollten das die Seelen der Kinder sein, denen Rubina die Geburt verwehrt hatte? Oder eher Hexen, die dem Trupp mit Verwünschungen folgten?
    Isabella fröstelte, hatte abends am Herd oft heidnischen Geschichten gelauscht, die die Alten hinter vorgehaltener Hand erzählten. Herzog Widukind spukte noch nach Jahrhunderten in manchen Köpfen herum, und der Christengott galt nur als einer von vielen. Sollten Kaiser und Fürsten doch streiten. Ob katholisch oder protestantisch war den meisten Niedersachsen gleich. Für sie lebten noch Donar und Freya. Die Nornen spannen des Menschen Geschick. Daran mochten die Leute nicht zweifeln.
    Die Religion wurde vom Landesherrn aufgezwungen. Das Volk gehorchte. Was blieb ihm auch anderes übrig? Aber der Urväter Glaube ankerte zäh und fest in den Nachkommen von Widukinds Stamm, ließ sich von Kaiser und Edelmännern verbieten, ausrotten hingegen nicht.
    Und das Quieken kam näher bei jedem Schritt. Einer fürchtete sich mehr als der andere. Sie schwiegen verbissen, trugen schwer an der Schuld.
    „Das sind Igel“, erklärte Richard. Er war der Erste, der sprach. „Davon gibt es hier unglaublich viele. Vermutlich hausen Zigeuner in der Nähe. Ihnen dient das Stachelgetier als Nahrung. Die rollen es bei lebendigem Leibe in Lehm, werfen’s in Feuergruben und rösten es. Wenn die Igel gar sind, lassen sich die Stacheln, zusammen mit dem Lehm, abschlagen. Darum das schaurige Fiepen, denn die Schmerzen der Tiere sind schrecklich.“
    Was er sagte, klang einleuchtend, grausig und gemein. Dennoch sinnierte ein jeder im Geheimen: Besser die Igel als ich. Aber ob es auch stimmt? Die Besorgnis um seine eigene Unversehrtheit konnte Richard keinem nehmen.
    Gelb leuchtete das Licht, das den Nebel durchdrang.  Lagerfeuer loderte in der Ferne am Ufer der Oker. Kalt war die Hand, die Isabella berührte, mit einem scharfen Gegenstand Bernhards und ihre Fesseln durchtrennte. Sie schrak zusammen, doch dann roch sie den Duft von Ponys und Stroh, vermischt mit getrockneten Rosen. Schwarze Locken wehten der Roten ins Gesicht. Vertrautes Klirren von Gold und Geschmeide erklang. Silberreifen klimperten am samtenen Arm, der sie sachte umarmte. Beringte Finger streichelten die Wangen. Und da wusste sie Bescheid. Karina war da, ihre beste Freundin aus Kindertagen.
    „Hab keine Angst“, flüsterte sie Isabella ins Ohr, „meine Sippe hält Wacht. Deine Mutter gehörte schließlich zur Familie.“
    Die Worte taten gut, obwohl Rubina es der Tochter erst am Ende ihres Lebens gebeichtet hatte, dass sie von Zigeunern abstammte. Mit den roten Haaren und der hellen Haut hätte das auch niemand von ihr vermutet. Wie Schuppen fiel es Isabella von den Augen. Darum hatte die Alte die Freundschaft zu Karina so gern gesehen, sie gefördert, wo immer sie konnte. Bevor das Mädchen das Gehörte zu verinnerlichen vermochte, spürte sie einen flüchtigen Kuss auf der Wange. Die Zigeunermaid huschte von dannen. Mit dem Wind eilte sie fort. Getröstet ergriff Isabella die Hand des Bruders, folgte der Schar, nun freiwillig und ungebunden.
    Weit erstreckte sich der Weg, schien aber bald geschafft, das Dorf lag nicht mehr fern. Und der Nebel klarte auf. Die Truppe musste ein Weilchen verschnaufen, setzte sich auf den Boden, der so kalt war, so feucht. Gebrochen die Scholle vom Pfluge, und klamm dampfte aus dem Erdbraun der Morgen.
    „Wo bleibt Harras?“, fragte die Waschfrau Helene.

Dann erblickten sie ihn. Er lag der Länge nach in einer der Furchen. Ausgepickt beide Augen. Frisch gespalten der Schädel. Und die Würgemale am Hals glühten mit dem Morgenrot schier um die Wette.
    Droben im Tann saß Pavor, krächzte: „Schuldig, der Lump!“
     
     
    8
     
    In jener Nacht, als Rubina dem Tod gegenübertrat, kroch den Gästen im Wolfenbütteler Schloss kein Frost durch die Glieder. Sie schwitzten eher in molligen Winterfederbetten, die für den in diesem Jahr besonders

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