Die Heidehexe - Historischer Roman
den mit Tannen bewachsenen Hügel im Dunst verschwimmen. Die Gestalt auf dem Schimmel schien auf Wolken zu reiten. Gegenüber, am steinigen Ufer. Kein Getrappel von Hufen, kein Gekeuche des Pferdes. Auch kein Atem vom lebenden Menschen.
Oh, wie die Rüstung blitzte. Das muss Sternensilber sein, fuhr es Isabella durch den Sinn, Gott Balder, der Sohn von Odin und Frigg reitet übers Land.
Schulterlanges Blondhaar gleißte wie Weißgold im Wind. Hoheitsvoll warf er den Kopf in den Nacken, jener Gott, der noch vorhin nicht zu sehen war. Wogen de r Macht entströmten dem umpanzerten Brustkorb. Überirdisch schön war der Jüngling, eben göttlich.
Isabella spürte, wie etwas Fremdes sich in ihrem Körper regte, tief drinnen, in Regionen, die sie bisher nicht kannte. Bittersüß waren die Gefühle, die ihre Lend en durchzogen, zart die Sehnsucht, die Herz traf und Seele.
Zögernd hob sie die Hand, winkte dem Schönling zu.
„Wer bist du?“, rief sie zu ihm hinüber. „Sag mir, wo kommst du her?“
Kurz stutzte er, rieb erstaunt die Augen, schaute sie an und entschwand verzauberten Blicken.
Trugbild oder gar Hexerei, von der Mutter zum Trost ihr gesendet? Ihn allein will ich freien, dachte sie, die von Begehren überwältigt wurde, ich muss ihn finden.
Noch vor wenig en Minuten war sie in Trauer erstickt, hatte geglaubt, nie wieder an etwas anderes denken zu können, als an das Verbrechen, das vor ihren Augen geschehen war.
Jet zt wehte ihr der Duft der Sehnsucht entgegen, umschmeichelte sie, nahm sie gefangen. Isabella wurde sich ihrer Jugend bewusst. Und ihrer berauschenden Schönheit. Sie fühlte die Süße der ersten Liebe, die sämtliche Sinne auf Glitzerschwingen in ein Reich mitnahm, von dem ihr niemand erzählt hatte. Ein Reich, so schwelend und dunkel vor Verlangen, dass ein einziger Funke genügt, es in lodernden Flammen zu verbrennen und immer wieder auferstehen zu lassen. Jedes Mal dunkler und lockender als zuvor, mit dem Wunsch, erneut im Feuer der Leidenschaft zu verglühen.
Ihr Blut flackerte hellauf. Verzehrende Ahnung ertastete das Neue, das Unbekannte, das Wunderbarste der Schöpfung. Rein, echt, unverfälscht. Frühlingswind strich durch ihr rotes Haar, irrte dem Reiter hinterher.
Da irrte auch das Mädchen über die wacklige Holzbrücke ans gegenüberliegende Ufer, stolperte durch Ginstergestrüpp zu der Stelle, an der er vorbeigeritten war. Im Morast entdeckte sie Abdrücke der Hufeisen. Vorsichtig kniete sie nieder, küsste die Erde, begann wieder zu weinen und konnte nicht aufhören. So harrte sie Weile um Weile seiner Wiederkehr.
Hoffnungsvoll schaute sie auf, als sich endlich der Klang eines galoppierenden Reittieres näherte, und senkte sofort verschreckt den Kopf.
„Hier steckst du also?“ Gregor Walz, der Albino schwang sich schnaufend vom Esel, band ihn fest am Stamm einer Föhre. Viel zu schwer war der Koloss für das schmächtige Tier, doch das störte den Metzger nicht im Geringsten.
Seit K indestagen fürchtete Isabella diesen Mann. Aber jetzt wurde aus Furcht kaltes Grauen. Seine Pupillen glühten wie brennende Kohle im Gesicht ohne Farbe und Mimik. Und er kam stetig näher und näher.
„Alle Welt sucht nach dir. Doch vor mir kannst du dich nicht verstecken. Gregor Walz, der ist pfiffig, kennt die Gegend genau, weiß, wohin gehetztes Wild vor den Jägern flieht.“
„Lass mich laufen, Weißschnabel, hab’s nicht nötig, zu fliehen. Die Familie wird schon auf mich warten“, fauchte Isabella, wandte schroff sich zum Gehen. Gregor lachte zynisch, packte ihre Hände und Gelenke.
„Hiergeblieben, Hexe. Ja man wartet auf dich. Aber nicht die Familie. Nein, der Kerker ist dein. Büttel wollen die Mörderin holen. Dass du Harras erwürgtest, pfeifen die Spatzen vom Dach. Warum sonst wohl hast du dich vom Acker gemacht? Jeder konnte sehen, wie er hinter dir her war. Doch das Täubchen, das feine, wollte was Besseres sein. Mit dem Stolz ist es bald vorbei, wenn du erst da bist, wo du hingehörst. Auf dem Scheiterhaufen werden Hexen geröstet. Hei, das gibt ein treffliches Feuer. Und dein Bruder, der Blödian, schlug zu mit der Axt. Auch er kommt nicht ungeschoren von dannen.“
„Du schwatzt irre. Lass mich los, bleiches Getier.“
Mit solchen Worten machte sie ihn eher wilder. Seine Klauen glichen Schraubstöcken, eisern und stark. Und ebenso stark spannte der Trieb in der Hose.
Er zerriss ihre Bluse, zerrte den Rock herab, schleuderte sie in Mutter Grüns
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