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Die Heidehexe - Historischer Roman

Die Heidehexe - Historischer Roman

Titel: Die Heidehexe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gloria Frost
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deiner Mutter, wie du und der Bastard da“, er deutete auf Bernhard hin, „beim schwarzen Harras bereits Vergeltung geübt habt.“
    „Wir haben nichts mit seinem Tod zu tun. Großer Gott, steh uns bei“, flehte das Mädchen, als rohe Hände sie an den Haaren zum zweiten reiterlosen Pferd schleiften, mit Stricken die geschundenen Glieder festzurrten, und sie auf den Rücken der lammfrommen braunen Stute bugsierten.
    Isabellas Körper und Seele schienen mit einem einzigen Knoten des Unglücks gefesselt zu sein, gequält durch die Frage: warum?
    Und dann ging es voran, über Stock, über Stein, vorüber an blattlosen Büschen. Raben kauerten auf Zweigen des Galgenbaumes, an denen der Wind rupfte und zauste, fledderten grausig zappelnde Gehenkte, die im kahlen Geäst den Höllenwalzer übten. Teilweise halb verwest und entfleischt schlenkerten sie Beine und Arme und Hälse.
    „Schuldig“, krächzte einer der Vögel.
    „Hilf uns, Pavor“, flüsterte das Mädchen ihm zu, „bitte, Pavor, flieg fort, hole Hilfe.“ Da spreizte er die Flügel, flog ins Nachtschwarz hinein. Isabella wusste, ihm konnte sie trauen.
    Der matte Mondschein warf ein unwirkliches, magisches Licht auf hohe wettergebeugte Tannen. Unzählige Sterne glitzerten, aber einer strahlte besonders hell. „Das ist der Abendstern“, hörte Isabella die Stimme ihrer Mutter ganz deutlich. Oft hatte Rubina der Tochter die Geschichte erzählt, und just in diesem Moment erinnerte sie sich an ihre Worte. „Wenn ich einmal gestorben bin, werde ich auf dem Abendstern sitzen, ihn blank putzen, damit du ihn zwischen allen anderen erkennst, und von dort aus über dich wachen.“
    „Mutter! Deine Mörder wollen auch Bernhard und mich meucheln. Lass es nicht zu, Mutter! Lass es nicht zu!“, posaunte das Mädchen, so laut es konnte, zu den Sternen hinauf. Schauerlich gellte ihr Schrei durch die Dunkelheit.
    „Habt ihr es verstanden? Die Hexentochter ruft ihre Mutter um Hilfe an“, wandte sich der Kürassier an seine Mannen. Ein jeder hatte es vernommen und Gänsehaut kroch ihm über den Rücken. Sie trieben die Pferde zur Eile an. Zu unheimlich deuchten die Worte.  
    Aus dem Nichts tauchten vermummten Reiter auf. In Sekundenschnelle zogen die Maskierten beide Geschwister von den Pferden auf ihre eigenen und galoppierten davon, ehe einer der Soldaten es sich versah.
    Ritsch-ratsch war Isabella von den Fesseln befreit, nicht so Bernhard. Er blieb auf dem Rappen der Befreier weiterhin gebunden. Blitzschnell sausten die Tiere, beinahe so, als hätten sie Flügel.   
     
     
    10
     
    Lang war der Ritt am Fluss entlang, führte durch Brachland, vorbei an Mooren und Tümpeln. Der Morgen graute bereits, als die verwegenen Burschen mit den befreiten Geschwistern auf ihren heißblütigen Araberhengsten an einem sumpfigen Gelände stoppten, nahe der Aller, in der die Oker vor einigen Stunden ihr Dasein ausgehaucht hatte. Hinter Wacholder und Heidegestrüpp sprang ein Mädchen mit klirrenden Armreifen hervor, winkte heftig und stürmte auf die Vermummten zu.
    „Hat alles geklappt?“, rief sie fragend, bevor sie Isabella entdeckte.
    „ Karina“, jauchzte diese und hechtete vom Pferderücken herab in der Freundin weit ausgebreitete Arme. Sie herzten und küssten einander, als hätten sie sich eine Ewigkeit nicht gesehen. Dabei war es erst vorgestern Nacht, dass Karina dem Mädchen im dichten Nebel versicherte, ihre Sippe sei immer für sie da, weil Rubina eine der Ihren gewesen wäre.
    Auch die Burschen zerrten ihre Tarnkappen vom Gesicht, hoben die halbnackte Isabella in die Höhe, warfen sie einander wie einen Spielball zu, tanzten übermütig mit ihr über taubedeckte Wiesen. Im Freudentaumel gewahrten sie nicht die offenen Wunden an Isabellas Körper und deren angestrengtes, sich vor Schmerzen verzerrendes Lächeln.
    Erst eine schwarzhaarige Frau mittleren Alters, die aus dem Wald auftauchte, mit strengen Zügen, einer Hakennase und verkniffenem Mund, gebot dem wilden Gehabe Einhalt. Die an ihren Rockzipfeln hängende Kinderschar schaute bestürzt, und die Kleinste, mit haselnussbraunen Zöpfen, rief weinerlich: „Sie blutet ja so doll!“
    In der Tat waren die frischen Verletzungen aufgeplatzt und begannen erneut zu bluten.
    Die Zigeunerin gab Isabella einen flüchtigen Kuss auf die Wange, nahm sie bei der Hand und führte sie auf einem schlammigen Pfad zu ihrem Lagerplatz, der verborgen hinter knorrigen Eichen und Buchen lag.
    Hier reihte sich Zelt an Zelt,

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