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Die Heidehexe - Historischer Roman

Die Heidehexe - Historischer Roman

Titel: Die Heidehexe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gloria Frost
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Lebenden aufnehmen können. Und war das unverhoffte Erscheinen Pavors nicht ein Beweis für die Richtigkeit ihrer Annahme?    
    Victor fuhr fort: „Wenn Ihr wissen möchtet, warum der Rabe so lange verschwunden war, will ich es Euch mitteilen. Er sitzt jede Nacht vorm Schlafzimmerfenster meines Vaters und krächzt ‚Schuldig’, lässt sich von nichts und niemandem vertreiben, und Vater schlottert vor Angst, ist nur noch ein Schatten seiner selbst.“
    Da lachte Isabella heftiger, drückte Pavor an sich und raunte: „Gut gemacht, Pavor“, wie ihn Rubina immer gelobt hatte, wenn ihm eine Glanzleistung gelungen war.
    „Gut gemacht“, echote der Vogel und pickte dem Mädchen vor Übermut in die Nase.
    Nun lachte auch Victor schallend. Der Bann war gebrochen.
    „Eins würde mich interessieren“, sagte Isabella, „was sucht Ihr in dieser gottverlassenen Region der Heide?“
    „Und Ihr? Ich sehe nirgends einen Unterstand, geschweige denn Haus oder Hütte. Schlaft Ihr etwa auf dem sandigen Boden? Habt Ihr einen Schlupfwinkel, in den Ihr Euch zurückziehen könnt?“
    „Ich habe zuerst gefragt.“
    „Nun gut. Bin unterwegs, um reiche Gönner für Christian von Wolfenbüttels Feldzug gegen die Katholiken auszumachen. Ein schwieriges Unterfangen und ein elendes dazu. Man kommt sich vor wie ein Bittsteller oder vielmehr wie ein Bettler, dem die Herrschaften nicht die Hand geben mögen, als bestünde die Gefahr, sie zu besudeln.“
    „Na na, mal nicht so bigott, gehört Ihr doch auch zu jenen erlauchten Kreisen, bei denen das Geld nicht gerade locker im Beutel klimpert, wenn es um eine Spende geht.“
    „Da täuschst Ihr Euch. Ich gebe, was ich kann, für wohltätige Zwecke. Verwechselt mich nicht schon wieder mit meinem alten Herrn. Dennoch bin ich froh, sogenannte Freunde mal von der anderen Seite zu erleben. Auf Festen lassen sie gern den Edelmann heraushängen, doch wenn’s um ihren Besitz geht, sind sie knauseriger als Hamster, die Wintervorrat verteidigen.“ „Ein wohltätiger Zweck ist der Krieg wahrlich nicht. Aber sei’s drum. Ich spende mein Vermögen. Nicht für die Sache, nur für Euch, Victor, damit Ihr nicht länger den Hausierer spielen müsst. Das passt nicht zu Gott Balder.“
    „Nennt Ihr mich schon wieder bei diesem heidnischen Namen?“
    „Für mich werdet Ihr ewig Balder bleiben. Vermutlich seid Ihr es wirklich und habt es bei Eurer menschlichen Geburt vergessen, lebt zwischen uns Erdlingen als Sohn Odins, wie Christus, obgleich Gottes Sohn, auch auf Erden wandeln musste.“
    „Versündigt Euch nicht, Isabella.“
    Bei seinen Worten verdüsterte sich der Himmel, wie um ihnen den gehörigen Nachdruck zu verleihen. Donner grollte, Blitze zuckten durch die einsetzende Dunkelheit. Über die eben noch windstille Heide heulte der Sturm, zerrte an den dürren Ästen der Birken, die sich unter seiner Gewalt duckten. Hagel peitschte auf sie und Asputin nieder, verwandelte alle sekundenschnell in klitschnasse Regenbeute.
    „Ein Zeichen höherer Mächte!“, schrie Victor und band sein Pferd los. „Steig auf, Isabella, wir reiten in die nächste Stadt, um uns und unsere Kleider zu trocknen. Schnell!“  
    „Ja, ein Zeichen, aber ein anderes, als du denkst“, sagte das Mädchen ruhig, nahm Asputin am Halfter und führte ihn zu den verborgenen Stallungen. Als sie das Tor öffnen wollte, preschten Bernhard und Barbara, mit dem kleinen Winfried, heran. Das Gewitter hatte sie überrascht, und nun trieften Rösser und Reiter.  
    Die Vorstellung untereinander fiel extrem kurz aus, denn keiner wollte länger, als unbedingt nötig, dem Unwetter ausgesetzt sein. Die verliebten Blicke Isabellas entgingen den beiden Heimkehrern dennoch nicht.
    Barbara überreichte das Baby ihrer Freundin und entledigte sie des fremden Pferdes, bemerkte forsch: „Wir müssen Herzgestein und Feuerblut trockenreiben und füttern. Da kommt es auf einen weiteren Hengst nicht an. Jedenfalls auf keinen mit vier Beinen.“ Sie kicherte anzüglich. „Geht nur voraus. Euch wird die Zeit nicht lang werden, was Bernhard?“
    Isabella errötete bei den Worten. „Na, hör mal, du bist mir vielleicht eine. Hast es faustdick hinter den Ohren. So kenne ich dich ja gar nicht, kleines Mädchen.“
    Victor hatte überhaupt nicht zugehört. Er starrte wie in Trance in den geräumigen Stall, den er bislang für einen Sandhügel gehalten hatte. „Sachen gibt’s“, murmelte er ungläubig vor sich hin.
    Als er sah, wie Isabella an

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