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Die Heidehexe - Historischer Roman

Die Heidehexe - Historischer Roman

Titel: Die Heidehexe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gloria Frost
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habe es täglich Schläge gehagelt. Sie musste Vieh und Stallungen versorgen, als sie das siebte Lebensjahr erreicht hatte, und auf dem Feld arbeiten wie eine Große.
    „Dann kam die Viehseuche. Kühe, Schweine, Schafe verendeten qualvoll. Die weise Frau, die der Bauer um Hilfe gebeten hatte, sagte mir auf den Kopf zu, dass ich den bösen Blick besäße, und damit Mensch und Tier verhexen könne.“
    „Was für ein Unsinn“, sagte Isabella, die sich mit ihren fünfzehn Jahren der Zwölfjährigen gegenüber sehr erwachsen vorkam. „Die Bauersleute werden ihr doch nicht etwa geglaubt haben?“
    „Und ob. Nicht nur sie. Jedes Mal, wenn im Dorf ein Unglück geschah, bei sämtlichen Todesfällen, allen Krankheiten wurde ich beschuldigt, diejenigen mit meinem bösen Blick verzaubert zu haben. Es war das reinste Spießrutenlaufen.“
    „In Lüneburg gibt es ein kirchliches Findelhaus. Es wundert mich, dass die Bauersleute dich nicht dahin abgeschoben haben.“
    „Die Bäuerin wollte schon, aber der Bauer hatte mittlerweile Gefallen an meinem Körper gefunden, behielt mich im Haus und verging sich täglich mehrmals an mir. Es war schrecklich.“
    „Du hättest weglaufen können.“
    „Wohin denn? Ich hatte keine Verwandten, kannte niemand, der das Mädchen mit dem bösen Blick aufnehmen wollte. Also blieb mir nichts anderes übrig, als ihm zu Willen zu sein.“
    „Und dann?“
    „Eines Nachmittags im Winter überraschte uns die Bäuerin, wie der alte Suffkopp im Hühne rstall seine Lust an mir stillte. Sie beschimpfte nicht ihn, oh nein. Ich wurde als Hexe angezeigt, wochenlang gefoltert und sollte bei lebendigem Leibe auf dem Scheiterhaufen brennen. Aber ihr habt mich gerettet. Dafür werde ich euch ewig dankbar sein. Wenngleich ich durch Winfried stets an den Missbrauch erinnert werde.“
    Wie zur Bekräftigu ng ihrer Worte schlug der Säugling die Augen auf und brüllte aus Leibeskräften. Barbara gab ihm die Brust, an der er zufrieden nuckelte, wiegte ihn sanft wieder in den Schlummer. „Nein, nein, mein Junge. Du kannst nichts dafür. Bist das schönste Geschenk, das mir die Götter machen konnten.“
    Sie legte ihren Kopf auf Isabellas Knie und weinte. Das Mädchen ließ sie gewähren. „Schrei ihn heraus, deinen Schmerz. Schrei sie alle heraus, die Gefühle, die dich martern. Danach wird es dir besser gehen. Wir werden dich nie verlassen, immer für dich da sein, nicht wahr, Bernhard?“
    Der Bruder nickte zur Bestätigung. Barbaras Schluchzen verebbte. Sie hatte sich müde geweint und schlief in Isabellas Armen ein. Die Ge schwister trugen die kleine Mutter und Winfried auf das Lager, wo nunmehr alle nächtigten. Dann gingen auch sie zu Bett, Isabella verfrachtete Winfried auf ihren Bauch. So hatte er es besonders gern, und auch das Mädchen liebte es, die Wärme des Babys auf dem Leib zu spüren, seinen ruhigen Atem zu hören und den wunderbaren Duft, der nur Säuglingen anhaftet, in ihre Nase kriechen zu lassen. Bernhard schnarchte bereits nach einer kurzen Weile vor sich hin.
    Isabella ließ den ereignisreichen Tag noch einmal in Gedanken an sich vorüberziehen. Gott Balder hat mich tief verletzt, überlegte sie, aber vielleicht wollte er mich nur auf die Probe stellen, und ich habe kläglich versagt.
    Wie immer, suchte sie die Schuld bei sich, gelobte dem Christengott sowie Odin und Frigg, dass sie nie mehr aus der Rolle fallen wollte, wenn er sich ihr bitte, bitte noch einmal zeigen würde.
     
     
    16           
     
    Schneller als erwartet sah Isabella Victor wieder. Sein Gewissen hatte ihm keine Ruhe gelassen. Ich hätte sie nicht so demütigen dürfen, grübelte er. Zudem weckte das Mädchen in ihm fremde Gefühle. Übersättigt von den Jungfern, die sich ihm an den Hals warfen und nur zu gern ihre Unschuld durch ihn verlieren würden, hatte er geglaubt, sich nicht verlieben zu können. Ein folgenschwerer Irrtum, wie sich nun herausstellte. Seit er sie erblickt hatte, kreiste sein Denken und Tun nur um sie.
    So traf es sich günstig, dass Christian ihm, drei Tage nach seiner erfolglosen Mission, von den Adligen im Lande Geld für die Kriegsführung aufzutreiben, Gelegenheit gab, abermals sein Glück zu versuchen.
    Unterwegs wagte er einen Abstecher zu Isabellas Bleibe, rechnete nicht ernsthaft damit, sie zu Gesicht zu bekommen.
    Da s ich keiner der drei Gefährten an Richard Sanders Anweisungen halten konnte, weil die Pferde versorgt und bewegt werden mussten, ritten Bernhard und

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