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Die Heidehexe - Historischer Roman

Die Heidehexe - Historischer Roman

Titel: Die Heidehexe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gloria Frost
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Sie phantasiert schon tagelang, und einen Medikus kann sich unsereins nicht leisten.“
    Die Frau redete plötzlich freundlich, stieg vor Isabella die steile, ausgetretene Treppe hinauf, öffnete die Tür zum Zimmer eines ungefähr sechsjährigen Mädels. Staubige Luft schlug ihr entgegen, Hitze und Schweißgeruch. Die Vorhänge vor dem winzigen Fenster waren zugezogen, ließen keinen Sonnenstrahl hindurch. Der Atem des Kindes ging flach und kurz.     
    Als Erstes riss Isabella beide Fensterflügel weit auf. Sauerstoff strömte herein, vertrieb den fauligen Gestank.
    „Eine Schüssel mit abgekochtem, lauwarmem Wasser“, befahl sie knapp. Die Bäckersfrau brachte umgehend das Gewünschte.
    „Bring mir Stroh oder Heu, viel Heu, am besten bündelweise.“
    Quacksalber, dachte das Weib insgeheim, befolgte jedoch brav die Anweisungen. Derweil sie sich auf dem Heuschober abrackerte, entkleidete Isabella das Mädchen, kramte Kernseife sowie einen flauschigen Lappen aus ihrer Kiepe und wusch sie gründlich von Kopf bis Fuß. Sie hob das kleine Wesen, das in ihren Armen lag, auf den Stuhl, nahm ein frisches Laken und Bezüge aus der Truhe, bezog die Strohmatratze und das mit Heu gefüllte Deckbett. Dann rieb sie Rücken und Brust mit einer Salbe aus Kamille, Thymian und Lindenblüten ein, zog dem Kind ein sauberes Nachthemd an. Die schmutzige Wäsche warf sie auf den Flur.
    „Mund auf“, sagte sie zu der Kleinen, die gehorsam die Lippen öffnete und den bitteren Hustensaft aus Schafgarbe und Primelwurzeln, den Isabella ihr einflößte, hinunterschluckte.
    „Was fällt dir ein?“, fragte die Bäckerin, die einen Nachbarn zu Hilfe gerufen hatte, um fuderweise Stroh und Heu die Treppe heraufzuschaffen. „Du kannst doch hier nicht schalten und walten, wie es dir beliebt. Unerhört, in meinen Schränken zu schnüffeln. Habe mir gleich gedacht, dass mit dir was nicht stimmt.“
    „So? Wenn du weiterhin mit deinen Frechheiten um dich wirfst, werde ich auf der Stelle das Haus verlassen. Aber dann hast du dein Kind auf dem Gewissen. Es ist zu Tode erkältet, schnelle Hilfe nötig. Danke Gott, dass ich vorbeikomme.“
    Die Mutter schwieg, beäugte misstrauisch, wie Isabella einen nach dem anderen Kissenbezug mit Heu füllte, im Bett auftürmte, das Mädchen aufrecht davor setzte und gegen die Kissen lehnte.
    „Einen Eimer mit kaltem Wasser und Tücher“, ordnete Isabella an, die ihr im Nu herbeigeschafft wurden.
    „Schau mir zu, denn diese Wadenwickel dürfen nur zehn Minuten angelegt bleiben, müssen alle zwei Stunden erneuert werden. Das kannst du selbst.“ Flink tauchte sie zwei Tücher in das Wasser, legte sie dem Mädchen um die Beine, rollte trockenen Leinenstoff darum.
    „Wie heißt du?“
    „Martha“, flüsterte das Kind.
    „Du bleibst jetzt eine halbe Stunde sitzen. Deine Mutter wird dir die Kissen anschließend wegnehmen. Du legst dich zwei Stunden auf die rechte Seite, drehst du dich um, bleibst zwei Stunden auf der linken Seite liegen, um wiederum eine halbe Stunde aufrecht zu sitzen. Das macht die Atemwege frei. Zwischen den Umschlägen tüchtig schwitzen. Morgen komme ich wieder. Könnt ihr drei euch das merken?“
    Sie nickten. Nachbar Reinecke bemerkte anerkennend: „Bist ne tüchtige Deern. Und wie es in diesem Kabuff auf einmal duftet. Ich glaube, dich hat der Himmel gesandt. Kannst gleich zum nächsten Kranken gehen. Gibt viele davon hier im Dorf, nur keine Kräuterheilerin. Bleibst du hier und sorgst für unsere Gesundheit, soll es dir nicht schlecht ergehen, nicht wahr, Frau Nachbarin?“
    „Gewiss nicht, gewiss nicht“, beeilte sich diese, zu versichern und steckte Isabella zwei Groschen in den Beutel, der um ihren Hals hing.
    Im Hinausgehen wandte Isabella sich noch einmal um. „Viel waschen ist wichtig.“
    „Da solltest du dich lieber selbst dran halten“, entrüstete sich die Bäckersfrau und hatte den abfälligen Blick von vorhin in den Augen.
    Die Kräuterheilerin klopfte an diesem Tag noch an viele Türen und wurde, trotz ihres schmuddeligen Aussehens, überall eingelassen. Sie behandelte Geschwüre, Rheuma, Gicht, Erkältungen und so manches andere Zipperlein mit ihren unterschiedlichen Tinkturen, die bei zu großen Schmerzen durchaus auch aus kleinen Mengen des aus dem Schlafmohn gewonnenen Saftes bestanden.
    Abends studierte sie in den umfangreichen Kladden der Mutter, wie jede einzelne Arznei hergestellt wurde, richtete sich genau nach den angegebenen Dosierungen und lernte,

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