Die Heidehexe - Historischer Roman
Voll Entsetzen ließ sie Victors Glied aus dem Mund gleiten, krümmte sich vor Schmerzen, Qual und Scham, durchlebte die schrecklichsten Szenen ihres Lebens erneut, schrie ihr Leid in die Nacht hinaus.
Der Jüngling erschrak, ließ sie los, schaute in ihre Augen, in denen sich alles Elend dieser Welt spiegelte.
„Was hast du, mein Augenstern“, fragte er entsetzt. „Gefällt dir nicht, was doch das größte Glück für zwei Liebende bedeutet?“
Isabella zitterte am ganzen Körper, Hände und Stirn glühten. Grauenvolle Angst lähmte sie. Zusammengekauert starrte sie mit leerem Blick in weite, unbekannte Zonen.
„Er war da“, wisperte sie schließlich so leise, dass Victor den Satz mehr von ihren Lippen ablas, denn hörte.
„Außer uns beiden war niemand hier“, sagte er enttäuscht.
„Doch“, beharrte die Maid. „Er hat mich höhnisch ausgelacht und wieder vergewaltigt.“
Jetzt ging Victor ein Licht auf. In dem Augenblick, als sie der Seligkeit nahe waren, hatte sie sich an das Verbrechen des Albinos erinnert und das Gehirn ihr einen Streich gespielt, die Gegenwart des Metzgers und sein schändliches Tun vorgegaukelt.
Wird sie jemals von diesem schrecklichen Vorfall loskommen, überlegte er, oder ist ihr für alle Zeiten die Lust an der körperlichen Liebe verloren gegangen?
Er wollte sie in die Arme schließen, ihr versprechen, sie nie zu bedrängen. Sogar in vollkommener Keuschheit sein Leben an ihrer Seite verbringen. Jeder Begierde entsagen. Noble Vorsätze erfüllten seine Seele.
Doch als er ihre drallen Brüs te ansah, die schmächtigen, noch kindlichen Hüften, den lockenden Kussmund, warf er das gerade gefasste Vorhaben über Bord. Sein Verlangen gewann die Oberhand. Zärtlich strich er mit den Fingern über ihre Brustwarzen, die sich hinter dem Mieder abzeichneten.
„Genug“, wehrte das Mädchen ab, das immer noch vor Furcht bebte.
„Sag jetzt nicht ‚Nein’. Gib dich mir hin, mit allen Sinnen. Ich vermag nicht länger zu warten. Bitte, Isabella.“
„Erst nach der Hochzeit. Ich bin kein leichtes Mädchen. Balder, ein Gott fällt nicht auf fleischliche Anfechtungen herein.“
„Unterlass endlich das Gerede von Gott Balder. Es gibt ihn nicht. Und gäbe es ihn, so wäre nicht ich es, der Sohn des Grafen von Grimmshagen. Gottheiten zeigen sich keinem Menschenkind. Merk dir das.“ Victor redete sich in Rage und zwang sich, seiner Lust zu entsagen, bettete seinen Kopf auf Isabellas Schmuddelkleid, betrachtete, wie sich Wolken vor den Mond schoben, ihn bedeckten. Im Heidegras summte und surrte es melodisch.
„Lausche dem Zirpen der Grillen“, sagte das Mädchen, „sie singen und tanzen, bis der Schnee sie begräbt. Keine ahnt, was ihr bevorsteht.“
„Wir sind keine Grillen, besitzen höchstens welche im Hirn. Ich habe sie soeben daraus verscheucht und eine Lösung für uns gefunden.“ Victor hatte sich wieder unter Kontrolle. „Am zwanzigsten September begeht mein bester Freund Christian von Braunschweig-Wolfenbüttel seinen Geburtstag, wird zweiundzwanzig Jahre und will das Fest gebührend feiern, bevor wir im Oktober in den Krieg ziehen. Da er gleichzeitig der Bischof von Halberstadt ist, soll er als Geistlicher an seinem Ehrentag unsere Trauung vollziehen. Was hältst du davon?“
„Das fände ich fabelhaft . Kommt drauf an, ob er das auch findet.“
„Keine Bange. Er wird begeistert sein. Gleich morgen breche ich auf, um ihm den Entschluss mitzuteilen.“
„Und bis zum Hochzeitstag wirst du dich in Geduld üben und mich nicht noch einmal in solche Zwickmühle drängen?“
„Gewiss, meine Liebste, bleiben doch nur wenige Tage bis zu unserer Vereinigung. Meinen Heiratsantrag auf Knien habe ich hinter mir, sodass wir voll Vorfreude den großen Tag herbeisehnen können.“
„Was ist mit dem Schwur, den meine dir Sippe abgenötigt hat?“
„Erpressen lässt sich ein Grimmshagener nicht. Außerdem kreuzte ich die Finger der linken Hand hinterm Rücken. Der Eid zählt nicht.“
„Du bist ein echter Kindskopf, Balder, aber ein göttlicher.“ Diesmal widersprach Victor nicht.
Hand in Hand gingen sie zur Erdhöhle, aus der Barbara ihnen entgegenkam.
„Wo willst du hin?“ fragte Isabella. „Um diese Zeit gehört
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