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Die Heilanstalt (German Edition)

Die Heilanstalt (German Edition)

Titel: Die Heilanstalt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Geraedts
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Druck, der von außen auf die Tür wirkte. Patrick tapste einige Schritte ins Zimmer zurück und sah wie durch einen trüben Schleier den Kittel von Wallensteins, der gespenstisch vom dunklen Flur herein zu schweben schien und nun wieder strahlend weiß war; kein Staubkorn haftete auf seiner Oberfläche.
    »Ah, Sie haben sich doch noch nicht zu Bett begeben, sehr schön!«
    Patrick vernahm von Wallensteins Stimme ganz verzerrt und vermochte den Therapeuten nicht klar zu erkennen; die Formen liefen so unkontrolliert auseinander wie die wundersam leuchtenden Konturen des Tees, der warm und mild in seinem Inneren wogte.
    Nein, noch nicht , wollte er antworten, doch seine Zunge waberte betäubt im Mund umher, außerstande, einen verständlichen Laut zu formen. Patrick blickte in von Wallensteins verwackeltes Gesicht, in dem plötzlich ein zufriedenes Lächeln stand, so breit, dass Patrick es trotz seines eingeschränkten Sehvermögens deutlich ausmachte.
    »Wie haben Sie den ersten Tag in unserem Hause verlebt, Herr Baumgartner? Haben Sie sich inzwischen bei uns eingelebt und an die hiesige Luft gewöhnt? Aber gewiss, ich sehe es Ihnen an!«
    Von Wallenstein lachte und klopfte Patrick auf die Schulter. Dieser stand wackelig auf den Beinen und rollte die Augen in den Höhlen, um den Blick zu schärfen. Er wollte etwas sagen, doch seine Zunge war schwer wie Blei.
    »Für die unerfreuliche Szene von heute Abend im Speisesaal möchte ich mich in aller Form entschuldigen, Herr Baumgartner. Sie müssen wissen, in unserem Hause werden die verschiedensten Krankheitsfälle behandelt. Da geschieht es zuweilen, dass wir die Schwere der Erkrankung unterschätzen und allzu schnell von der erhofften Heilung ausgehen. Sie verstehen, es entspricht der zuversichtlichen Natur unseres Ärztekollegiums!« Der Therapeut stieß ein kurzes Lachen aus, legte aber sogleich wieder eine ernste Miene auf. »Der betreffende Patient hat sich ganze anderthalb Wochen lang in einem Lagerraum versteckt, ist das zu glauben? Im hinteren Teil des Gebäudes, wo niemand ihn vermutete. Sage und schreibe zehn Tage verbrachte er dort. Wir waren im Glauben, er sei unserer Anstalt entflohen, ehe das Sicherheitspersonal ihn entdeckte. Es gab in seinem Versteck keine feste Nahrung; die ganze Zeit hat er lediglich Wasser aus einem tropfenden Leitungsrohr getrunken. In Kälte und Dreck hat er gehaust, denn wissen Sie, jenes Lager ist lange schon nicht mehr in Verwendung und nur noch eine Art Abstellkammer, die nicht gesäubert wird – selbstredend im Gegensatz zu den restlichen Räumlichkeiten!
    Jedenfalls glaubte dieser arme Mensch – Stornwald heißt er übrigens, Mark Stornwald –, wir wollten ihn umbringen, wollten ihn auf eine Pritsche schnallen und ausschlachten. Solchen und ähnlichen Unsinn hat er geschrien, als wir ihn fanden, und ist deshalb wie von Sinnen geflohen, als wir ihn zurück in sein Zimmer geleiten wollten.
    Akute Paranoia, Herr Baumgartner, wildeste Wahnvorstellungen! Leider haben wir dieses Krankheitsbild in seinem Ausmaße verkannt, ja diesen Fehler gestehen wir uns ein. Allerdings versichere ich Ihnen, es geschieht äußerst selten; die Heilungsquote unseres Hauses ist beispielhaft!«
    Von Wallenstein machte eine Pause und sah Patrick eindringlich an. Dieser seufzte schläfrig und rieb sich das Gesicht. Er hatte nicht viel von dem verstanden, was der Therapeut gesagt hatte; die Stimme scholl wie ein Echo in seinem Kopf, die Sätze schoben sich unverständlich übereinander und schlingerten in seinem Verstand.
    Aber auch mit dem Wenigen, das er vernommen hatte, wusste er nichts anzufangen, denn er hatte von jener »unerfreulichen Szene« aufgrund seines starken Rausches nichts mitbekommen. Von Wallenstein nahm Patricks verwirrten Geisteszustand mit offenkundiger Zufriedenheit wahr und studierte ausgiebig seine getrübten Augen.
    »Oh ja, Sie haben sich bei uns eingelebt«, flüsterte der Therapeut. »Ihr Heilungsfortschritt ist nicht zu übersehen, Herr Baumgartner, Sie rasen der Genesung geradezu entgegen, bravo!«
    Wieder öffnete Patrick den Mund zum Sprechen, aber brachte nichts als ein erschöpftes Stöhnen zustande. Er taumelte, worauf von Wallenstein ihn lachend festhielt.
    »Hoppla, kann denn ein so junger Mann derart erschöpft sein? Aber so ergeht es den meisten am ersten Tag, ja der Weg zur Heilung ermattet nun einmal. Es ist ein gutes Zeichen, Herr Baumgartner, seien Sie unbesorgt.«
    Patrick zwang seine taube Zunge zur

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