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Die Heilanstalt (German Edition)

Die Heilanstalt (German Edition)

Titel: Die Heilanstalt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Geraedts
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auszulösen. Dazu bedurfte es lediglich eines zur rechten Stunde geschlagenen Gongs sowie eines einzigartigen Wunderheilmittels, das die Menschen in einen kollektiven Zustand der Gedankenlosigkeit bannte. Die Patienten waren die Indikatoren für die unsichtbare Macht der Anstalt, sie bewiesen ihre Existenz und waren zugleich von ihr abhängig, konnten ihr weder entkommen noch sie verändern, und glichen auf diese Weise Eisenspänen, die der Kraft eines magnetischen Feldes ausgeliefert waren und auf ewig ihre Beschaffenheit und Ausrichtung anzeigen mussten.
    Auch Patrick war nun ins Programm integriert und saß darin fest wie eine Fliege im Spinnennetz. Und doch empfand er diese Gefangenschaft nicht als solche, sondern verspürte vielmehr eine ungekannte Freiheit, die er niemals wieder verlieren wollte, wenn er auch in den Tiefen seines verschütteten Verstandes wusste, dass sie illusorisch war.
    Seine Beine, die die ganzen letzten Stunden über von allein gelaufen und willenlos jenem unsichtbaren Strom gefolgt waren, machten plötzlich Halt; überrascht drehte Patrick den Kopf und sah neben sich die Tür mit der Nummer 137. Sein Zimmer.
    Er lächelte darüber, dass sich alles wie von Zauberhand fügte, und drückte seinen Daumen auf die kleine Fläche unterhalb der Türklinke; es piepste, das rote Licht wurde grün, und gehorsam sprang das Schloss auf.
    »Sesam, öffne dich!«, sagte er und drückte kichernd die Tür auf.
    Noch einmal dachte Patrick voller Bewunderung, wie fabelhaft gestaltet dieses Sanatorium war, staunte über das vielfältige Unterhaltungsangebot und die Erholungsmöglichkeiten in luxuriösem Umfeld. Hinzu kam das planvoll organisierte Tagesprogramm, das keinen Wunsch offen ließ, vom sagenhaften Essen ganz zu schweigen. Und dann dieser Tee!
    Alles in allem war dieses Haus unübertrefflich, und er würde von Wallenstein bei nächster Gelegenheit sein höchstes Lob aussprechen. Mit einem windschiefen Grinsen und Glaskugeln als Augen trat Patrick ins Zimmer und schubste die Tür hinter sich ins Schloss.

Zimmervisite
    In der plötzlichen Stille überkam Patrick eine erdrückende Müdigkeit; gähnend betrachtete er das einladende Bett und spielte mit dem Gedanken, gleich unter die Decke zu kriechen, ohne zuvor ins Bad zu gehen. So viel war heute geschehen, so vieles hatte er erlebt und gesehen, dass sein Geist völlig ermattet war. Auch die Schwerfälligkeit seines Körpers wurde allmählich wieder spürbar, da seine letzte Dosis des Wunderheilmittels schon einige Zeit zurücklag. Mit hängenden Schultern trat er ans Waschbecken und wusch sich das Gesicht. Durch das kalte Wasser verstärkte sich das unangenehme Gefühl der Leiblichkeit; seine Sinne schärften sich, und seine Wahrnehmung wurde deutlicher, gar wollten sich einige lästige Gedanken in sein Bewusstsein stehlen. Patrick stöhnte gequält und zog die Stirn in Falten. Er fühlte sich elend. Er griff zur Teekanne neben dem Waschbecken und füllte den Becher. Wie üblich nahm er sich einen kurzen Moment, um das wunderbare Wechselspiel des türkisfarbenen Glimmens zu bewundern, grinste beim Anblick der Formen und Muster, die sich hypnotisch überlagerten, immerfort neu bildeten und einem ewigen Zyklus folgten. Dann hob er den Becher zum Mund und leerte ihn, ohne einmal abzusetzen. Patrick stöhnte orgiastisch, schwankte nach vorn und klammerte sich an die Kommode, um einen Sturz zu vermeiden. Benommen schüttelte er den Kopf, während die Welt sich zu drehen begann. Das Gefühl der trägen Leiblichkeit verging, und sein Geist schien wieder in höhere Sphären aufzusteigen. Die Sinne schwanden, und die Gedanken hörten auf. Patrick blickte gläsern in den Spiegel, ohne etwas darin zu erkennen. Dann füllte er den Becher von Neuem und trank so zügig wie zuvor.
    Er wusste nicht, wie lang er so dagestanden hatte – mit ausdrucksloser Miene und Augen aus Glas –, als es plötzlich an der Tür klopfte. Patrick erschrak und löste sich ein wenig aus dem Nebel seiner Betäubung. Mit offenem Mund und leblosen Augen starrte er zur Tür, völlig im Ungewissen, ob das Geräusch wirklich da gewesen war oder ob er es sich bloß eingebildet hatte. Ein Speichelfaden troff ihm von der herabhängenden Unterlippe, und seine Augen drohten zuzufallen. Als es zum zweiten Mal klopfte, zuckte Patrick zusammen und wischte sich die Spucke vom Mund. Dann schritt er endlich voran, drehte träge am Knauf und spürte, kaum dass das Schloss geöffnet war, einen sanften

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