Die Heilanstalt (German Edition)
einen so unfähigen Arzt zugewiesen haben. Fortan wird Sie eine unserer kompetentesten Fachkräfte behandeln und verlässlich zur Heilung führen.«
»Treib nicht länger dieses Spiel mit mir!«, brüllte Janick. »Ich werde deiner Scheinwelt niemals erliegen!«
Der Herr lachte und las den seelenlosen Leib von Wallensteins wie eine vertrocknete Schlangenhaut vom Boden auf. Er war kreideweiß und so eingefallen, als wären die Innereien entfernt worden und unter der Haut nur noch die nackten Knochen übrig. Janick wurde beim Anblick des ausgehöhlten Körpers speiübel und hielt krampfhaft Erbrochenes zurück.
»Führen wir diese wertlose Hülle wieder einem sinnvollen Zweck zu«, sagte der Herr fröhlich, ging erneut in sich und ließ den bleichen Leib wie Butter in einer heißen Pfanne schmelzen. Die ursprüngliche Form sackte zu einem unförmigen Klumpen zusammen, aus dem sich wenige Augenblicke später eine blitzsaubere Teekanne herausbildete. Über ihrem Drehverschluss war einer der weißen Becher gestülpt, die Janick aus der Heilanstalt kannte. Der Herr nahm den Becher vom Deckel, schraubte die Kanne auf und ließ einen langen, dicken Speichelfaden von türkisfarbenem Glanz in ihr Inneres triefen. Dann drehte er die Kanne wieder zu und legte sie samt Becher neben Janick auf die Matratze.
»Herr Kowalski wird Sie zunächst auf ein isoliertes Zimmer bringen«, kündigte der Herr im höflichen Ton eines Oberarztes an. »Aber natürlich dürfen Sie sich wieder zu den anderen Gästen gesellen, sobald Ihr Zustand sich stabilisiert hat.«
Das Wesen erwiderte schmunzelnd Janicks Blick, in dessen Miene Verbitterung und Abscheu standen.
»Genießen Sie das Wundermittel unseres Hauses, und Sie werden im Nu wieder auf dem rechten Weg zur Genesung sein. Haben Sie keine Sorge, wir werden Sie bis zuletzt betreuen, Herr Baumgartner.«
»Nenn mich nicht so!«, schrie Janick. »Nenn mich niemals wieder bei diesem Namen, elende Missgeburt!«
Der Herr beugte sich mit einem gehässigen Grinsen zu Janick hinab, das auf entsetzliche Weise seine scharfen Zähne enthüllte, und hauchte: »Schon bald wirst du keinen anderen Namen mehr kennen, kleiner Mensch. Bald wirst du bis in alle Ewigkeit unter diesem Namen bei uns sein.«
Janick riss schreiend und keuchend an den Lederschlaufen und spuckte dem Wesen hasserfüllt ins Gesicht. Es wich zurück und wischte sich lachend den Speichel vom Gesicht.
»Du wirst dich für das Gefühl und gegen die Vernunft entscheiden«, versprach der Herr und legte die weibliche Hälfte der Marzipanfigur zu Janick ins Bett, gleich neben Teekanne und Becher. »Das menschliche Herz verleitet mehr zur Unvernunft, als unsere erschaffenen Welten es je könnten. Du wirst deinen Geist opfern für die Frau, die du liebst.«
Der Herr betrachtete jene Hälfte der Figur, die den Mann darstellte, steckte sie genussvoll in den Mund und zerkaute sie schmatzend.
Janick wandte den Blick ab und schloss in Trauer und Furcht die Augen.
Im nächsten Moment öffnete sich knarrend jene Tür hinter dem Bett, die Janick nicht sehen konnte.
»Ah, Herr Kowalski, kommen Sie näher, treten sie ein!«, rief der Herr erfreut. »Bitte geleiten Sie Herrn Baumgartner zum Erholungszimmer. Pflegen Sie ihn, bis er wieder munter genug ist, ins Heilprogramm integriert zu werden. Ich habe mich ausführlich mit unserem Patienten unterhalten und bin sicher, dass die Probleme nun überwunden sind und er recht bald zu alter Stärke zurückfinden wird.«
Die Kreatur blickte Janick ein letztes Mal mit einem Ausdruck höchster Siegesfreude in die Augen und legte ihm eine kalte Hand auf die Schulter. »Gute Besserung, Herr Baumgartner. Wir werden uns gewiss in Kürze wiedersehen.«
Dann trat der Herr wieder aus seinem Blickfeld und verließ den Raum pfeifend durch jene verborgene Hintertür. Janick biss die Zähne aufeinander und legte resigniert den Kopf zurück. Er wollte sterben, doch der Anblick der Marzipanfigur erinnerte ihn daran, dass er das nicht durfte. Er stöhnte und wollte vor Verzweiflung schreien.
Als das Wesen fort war, setzte sich das Bett auf quietschenden Rädern in Bewegung. Herr Kowalski schob seinen neuen Patienten schweigsam in den finsteren Flur hinaus.
Einmachgläser
Nackte Glühbirnen flackerten in einer langen Reihe im Dunkeln auf. Sie waren so staubüberzogen und verdreckt wie jene im Vorzimmer. Ihr schwaches Licht offenbarte den Flur als schmalen, zementierten Korridor, dessen Wände sich zu einer etwa
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