Die Heilerin des Kaisers
damit meine ich dein Kind – verurteilen und dem Hungertod preisgeben würden.
Dich selbst, Hedwig, kann ich nicht so ohne Weiteres von jeglicher Schuld freisprechen: Du hattest dich freiwillig dafür entschieden, das Leben einer Ausgestoßenen zu führen und zwar in dem Augenblick, als du die Gefährtin eines Geächteten geworden bist. Was für dich spricht, ist deine Liebe zu diesem Mann, von dem dir nur sein Kind geblieben ist. Höre mir nun zu, Mädchen, was ich dir zu sagen habe.«
Das Ergebnis der Unterredung war, dass die noch nicht einmal Sechzehnjährige die Hände der Heilerin unter Tränen der Dankbarkeit küsste und ihrer Retterin ewige Treue schwor. Frau Griseldis von Tannhofen aber besaß von dieser Stunde an, neben ihrem Ziehsohn Gunther, zwei Töchter, wovon die eine erst eine knappe Stunde alt war.
»Weshalb habt Ihr das Kind ausgerechnet auf den Namen ›Ruothild‹ taufen lassen?«, erkundigte sich König Heinrich, als er von den dramatischen Ereignissen Kenntnis erhielt. Wohl ahnte er bereits den Grund, wollte aber eine Bestätigung.
»Es erschien mir nur folgerichtig, Herr«, erwiderte die Heilerin. »So wie seinerzeit das unschuldige Wendenmädchen in einem Wald sein Leben gewaltsam verloren hat, so habe ich meiner kleinen Ziehtochter in einem abgeschiedenen Waldstück ins Dasein verholfen.
Ruothild wurde für mich gleichsam in Hedwigs Kind wiedergeboren. Das Mädchen soll seines Vaters ungeachtet in Frieden aufwachsen und später ein erfülltes Leben führen – so wie das arme Wendenmädchen es verdient gehabt hätte.«
Genauso hatte Herr Heinrich es sich vorgestellt gehabt. Der König nickte. Erneut war die Heilerin in seiner Hochachtung ein Stück gewachsen.
KAPITEL 69
B EREITS IM S OMMER des Jahres 1013 hatte der König Bischof Walther von Speyer beauftragt, mit Papst Benedikt VIII. wegen seiner Krönung zum Kaiser zu verhandeln. Seit einigen Jahren saß endlich ein den Deutschen freundlich gesinnter Heiliger Vater auf dem Stuhle Petri. Heinrich schien jetzt die Zeit dafür reif zu sein, sein Königtum mit der Würde kaiserlichen Glanzes zu schmücken.
»Seit elf Jahren bin ich nun König«, sagte der Herrscher zu seiner Gemahlin. »Und in Pavia hat man mich noch zum König der Langobarden gekrönt. Ich habe Kriege geführt, das Fehdeunwesen weitgehend ausgerottet, neue Bistümer errichtet, Klöster reformiert und durch einen Vertrag das Land Burgund dem Reichsgebiet dazugewonnen. Des Weiteren habe ich Streitigkeiten geschlichtet, einen Dom gebaut, Bischöfe und Äbte ernannt, das deutsche Königtum gestärkt und die Heidenmissionierung vorangetrieben – von den Lijutitzen einmal abgesehen.«
»Herr«, entgegnete Frau Kunigunde ernst, »Ihr habt Großartiges geleistet. Das Einzige, was Euch versagt geblieben ist, ist ein Sohn und Erbe. Und das ist meine Schuld.«
»Es ist GOTTES Wille, Frau«, widersprach der König. »Eigentlich bin ich auch zufrieden mit dem bisher Erreichten – außer in Polen. Aber auch da ist gegen Herzog Boleslaw noch nicht das letzte Wort gesprochen.
Und was ich jetzt in Angriff nehmen werde, ist meine Krönung zum Kaiser. Und Ihr, Frau Kunigunde, werdet zur Kaiserin gekrönt werden«, versprach Heinrich seiner Gemahlin.
Wunderschön erschien sie ihm heute wieder, attraktiv und begehrenswert. Egal, was die Kirche über die eheliche Liebe sagte und welche Einschränkungen sie ihm aufzwingen wollte: Heute Nacht würde er sein Weib erneut aufsuchen.
›Beichten kann ich morgen‹, grinste er innerlich. Das hatte ihm ja sein Kanzler, der Bischof von Bamberg, deutlich zu verstehen gegeben. Vielleicht konnte Kunigunde doch noch Mutter werden?
›Auch Sarah, Abrahams Weib, gebar in höherem Alter noch einen Sohn. Und sie war gewiss älter als meine wunderbare Frau, die schließlich erst fünfunddreißig Jahre alt ist‹, dachte Heinrich voll Vorfreude auf seine Liebesnacht mit der Königin.
Dann widmete er sich erneut den Angelegenheiten der Politik. Vor allem befahl er eine strenge Überwachung sämtlicher Alpenübergänge. Dieses Mal sollte von vornherein vereitelt werden, dass Herr Arduin die Brentaklausen besetzen ließ und seinen Trupp so am Weiterzug gen Süden hindern könnte.
Nicht allzu lange nach ihrem dramatischen Erlebnis mit der blutjungen Hedwig wurde Griseldis im Sommer 1013 erneut zu einer werdenden Mutter gerufen. Zu Pferde hatte sich die Heilerin zu einer Burg im Steigerwald aufgemacht, deren Herrin sie von ihrem
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