Die Heilerin des Kaisers
ganz gehörig seinen Oheim, Hermann von Schwaben. Heinrich jedoch konnte jetzt dem Wahltag mit Ruhe entgegensehen.
Erzbischof Willigis von Mainz hatte Anfang Juni 1002 alle weltlichen und geistlichen Fürsten zur Wahl zu sich in die Domstadt gerufen. Heinrichs Anhänger aus Baiern, Kärnten, Franken und Oberlothringen folgten dem Ruf des mächtigen Kirchenfürsten.
Der Trupp näherte sich der Stadt Worms, wo man mit den Pferden auf Fähren den Rhein zu überqueren gedachte, um nach Mainz zu gelangen.
»Ein prächtiges Gefolge mit einer ansehnlichen Anhängerschar habt Ihr, Herr Herzog«, stellte ich mit zufriedener Miene fest. »Nun müsst Ihr nur noch das Elsass und Niederlothringen auf Eure Seite ziehen.« In meiner schlichten, schwarzen Benediktinerkutte wirkte ich wie eine Amsel unter prächtigen Pfauenhähnen.
Die Gäule scharrten nervös mit den Hufen, als sie die reißenden Fluten sahen; der Rhein führte Hochwasser, da es wochenlang wie aus Eimern geschüttet hatte.
»Ein Fährbetrieb ist bei dieser starken Strömung des Rheins nicht möglich«, stellte Heinrich fest. »Und wie ich an den Fahnen erkennen kann, hat sich am jenseitigen Ufer bereits mein Oheim, Herzog Hermann von Schwaben, mit seinen Mannen niedergelassen.
Sollten wir es trotz allem schaffen, den Fluss zu überqueren, würde er uns den Weg nach Mainz sicherlich versperren. Ich verspüre aber nicht die geringste Lust, mich am Tage meines großen Triumphes auf einen Kampf mit ihm einzulassen. Der Teufel soll den Schwaben holen!«
»Recht so, Herr«, rief ich ihm übermütig zu, »soll Herr Hermann auf seinem Arsch hocken bleiben und in Worms auf uns warten, bis er schwarz wird.«
KAPITEL 30
I CH WENDETE MEIN Pferd und folgte wie die anderen meinem Herzog, der umgekehrt war und scheinbar den Weg Richtung Heimat einschlug.
›Das fehlte noch, dass mein Herr mit seinem Gaul durchs kalte Wasser reitet und sich die nächste Blasensteinattacke einfängt – jetzt, wo nicht einmal einer seiner Leibärzte dabei ist. GOTT möge dies verhüten!‹ Ich war ernstlich besorgt.
Wenn es nach mir gegangen wäre, hätten wir Euch, das Mädchen mit den heilenden Händen, gleich aus Eurem Dorf geholt, aber das war nicht im Sinne Herrn Heinrichs gewesen.
»Ein junges Mädchen unter lauter Männern?«, hatte er kopfschüttelnd gefragt. Auch davon, dass man Euch schlankes Ding recht gut als jungen Knappen ausstaffieren könnte, hatte der Herzog damals noch nichts wissen wollen.
Im Innersten vermutete ich jedoch, mein Herr wollte auch nur jeglichen Anschein vermeiden, der Kandidat für den Königsthron bedürfe der Dienste eines Medicus. Ein König hat doch immer und unter allen Umständen gesund zu sein.
»Ich fühle mich großartig«, hatte Heinrich jede weitere Diskussion abgewürgt. In diesem Moment habe ich mir vorgenommen, immerzu für meinen Herrn zu beten, dass dieser von seinem Leiden verschont bleibe – wenigstens bis die Königswahl vorüber war.
Der Schwabenherzog Hermann sollte nur getäuscht werden, denn in Lorsch setzte Heinrich von Baiern den Zug aufs Neue in eine andere Richtung fort. Sie ritten nun direkt auf die Stadt Mainz zu, um hier gefahrlos den Rhein auf einer Brücke zu überqueren.
An dieser Stelle musste Griseldis lachen.
»Heinrich ist doch der Schlaueste von allen. Es wäre ein großer Verlust gewesen, wenn nicht er König geworden wäre, sondern ein anderer. Gut, dass die meisten das offenbar eingesehen haben.«
Pater Berchtold nickte und setzte seine Erzählung fort.
Nach der Wahl in Mainz und der lange andauernden Stimmenauszählung verkündete der Erzbischof Willigis den Namen des Gekürten: Es war Herzog Heinrich von Baiern, der bereits ganz nervös geworden war, weil das Ergebnis so lange hatte auf sich warten lassen.
Gleich darauf begab man sich so schnell wie möglich nach Aachen, damit die Krönung und Salbung zum König vollzogen werden konnte. Nach alter Tradition fand dieses Ereignis im alten, ehrwürdigen Kaiserdom statt. Ich stand ganz vorne in der Reihe der Zuschauer und war sehr erleichtert darüber, dass mein Herr diese Hürde genommen hatte. Dieses heilige Geschehen sollte Eingang in meine Aufzeichnungen finden; außerdem wollte ich Euch eines Tages genauestens davon berichten, sobald Ihr denn am Hof zu Regensburg eingetroffen wärt, wie Ihr es Herrn Heinrich vor geraumer Zeit zugesagt hattet.
Keinen Augenblick hatte ich daran gezweifelt, dass die kleine Heilerin ihr Versprechen
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