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Die Heilerin von Lübeck

Die Heilerin von Lübeck

Titel: Die Heilerin von Lübeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kari Köster-Lösche
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Lübeck erobert hatte.
    So schnell sie konnte, eilte sie hinter der hochnäsigen Magd her, die offensichtlich nicht vorhatte, mit ihr auch nur ein Wort zu wechseln. Bis sie sich plötzlich umdrehte und krächzte: »Was macht man, wenn einem der Hals kratzt, als hätte man Hundsrosenstacheln geschluckt?«
    »Frische Hühnerbrühe mit Ingwer schlucken. Ich bin sicher, dass eine Braumeisterin von beidem etwas erübrigen kann«, antwortete Taleke. »Aber aus der Brühe müssen mehr Augen rausgucken als reingucken.«
    »Hm«, grunzte die Magd. Jedoch war ihr Rücken nicht mehr so abweisend wie vorher.
    Im Haus stellte sich heraus, dass der Verletzte kein Angehöriger der Familie Blomenrot, sondern ein Lehrling der Bierbrauerei war. Das schmächtige Kerlchen von zwölf Jahren hatte das Unglück gehabt, sich beim Auswaschen von kupfernen Gefäßen den linken Arm und das Schienbein zu verbrühen.
    Hermen, so hieß er, saß auf einem Fass, streckte Arm und Bein steif von sich und weinte leise. Niemand hatte genügend Verstand gehabt, den Jungen in kaltes Wasser zu tunken, was Taleke als Erstes nachholte, ohne ihm vorher die Kleidung vom Leib zu reißen. Ein älterer Geselle lachte verächtlich, als der Kleine vor Schmerzen aufheulte.
    Taleke nahm darauf keine Rücksicht, vergewisserte sich jedoch, dass Hermen weder zitterte noch sein Gesicht von kaltem Schweiß bedeckt war. Ein gutes Zeichen. Dass er blass war, musste man als normal ansehen.
    Allein dass sich jemand um ihn kümmerte, schien den Jungen zu trösten. »Es tut nicht mehr so weh wie eben noch«, stammelte er tapfer.
    »Ja, schon gut«, murmelte Taleke, stellte die Bottiche mit Wasser beiseite und begann ganz vorsichtig, den Ärmel von der verbrannten Stelle abzuziehen. Die schlimmste Verletzung war dort, wo sich zusammen mit dem Stoff Hautfetzen ablösten und Hermen keine Schmerzen verspürte, aber wenigstens war die Stelle nicht größer als ein Rechenpfennig. Nachdem das Wasser getrocknet war, bestrich Taleke die Wunde sparsam mit Ringelblumensalbe. Für alle anderen Rötungen musste Johanniskrautöl reichen. Anschließend verband sie die Verbrennungen mit weichgewaschenem ungebleichtem Leinenstoff.
    »Unser wehleidiger kleiner Edelmann«, spottete der Geselle.
    Hermens Augen blitzten wütend, und er spuckte nach dem Gesellen, ohne ihn zu treffen.
    »Wart’s ab, das zahle ich dir heim«, murrte der junge Mann und ging ins Freie.
    »Warum Edelmann?«, erkundigte sich Taleke und erinnerte sich an die Zeit, als auch sie aus ohnmächtiger Wut nach jemandem gespuckt hatte. Inzwischen war sie ein anderer Mensch.
    »Ich bin der Bankert eines Ritters«, bekannte Hermen freimütig. »Und der Kerl hört nicht auf zu sticheln. Aber besser Bankert als Dummkopf.«
    Taleke musste lachen. »Da hast du recht. Du solltest den Arm und das Bein jetzt zwei Tage ruhig halten, Hermen. Bewegung schadet der Heilung, verstehst du? Zuweilen bilden sich dadurch Narben, die ein Leben lang schmerzen. Soll ich mit deinem Lehrherrn sprechen?«
    »Nein, nicht nötig. Ich kann mich gut selbst vertreten, Meisterin Taleke. Und ich danke Euch.«
    »Fein. Ich sehe morgen wieder nach dir.« Taleke verließ das Brauhaus. Der Geselle, dem sie im Hof begegnete, grinste und machte eine obszöne Geste.
     
    Der Junge hatte Mut. Hoffentlich würde der reichen, um sich gegenüber einem Meister durchzusetzen, der nicht einmal den Anstand hatte, sich nach dem Befinden seines Lehrlings zu erkundigen. Grübelnd schlug Taleke den Heimweg ein und entdeckte erst auf dem Kohlmarkt, dass sie falsch abgebogen war. Dieses Viertel der reichen Kaufleute und Ratsherren hatte sie eigentlich auf lange Zeit meiden wollen, und das wäre auf den Nebenstraßen so einfach gewesen, auch ohne Umwege machen zu müssen.
    Vor allem wäre sie nicht zum Warten gezwungen worden, wie hier, wo ihr in der Breiten Straße eine kleine Prozession entgegenkam, die keinen Durchlass an den Seiten erlaubte. Voran ging ein Mönch mit einem hocherhobenen Kreuz, hinter ihm tanzten und sangen Männer und Frauen, die sich im Takt einer Trommel drehten.
    Neben dem langen Flügel des Rathauses blieben sie stehen. »Hört, ihr Frommen von Lübeck!«, rief der Mönch. »Wir sind unterwegs zu Sankt Anno von Köln, dem Erzbischof, der zu seinen Lebzeiten Hunderte von Kindern heilte. Er nahm sich der Unglücklichen, Heimatlosen, Verfolgten und Rechtlosen an, und in seiner Kirche bewirkt er bis zum heutigen Tag Wunder um Wunder. Wer mit uns kommen mag,

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