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Die Heilerin von San Marco: Historischer Roman (German Edition)

Die Heilerin von San Marco: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Heilerin von San Marco: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Fiorato
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Dogenpalast hatte sie mit eigenen Augen gesehen, wie sich das Feuer auf seiner Brust ausgebreitet hatte. Wie konnte er das überlebt haben? »Aber – das Feuer … ich dachte, du wärst in den Flammen umgekommen.«
    »Das bin ich auch.«
    Feyra war von seinem entsetzlichen Schicksal erschüttert und kniete sich neben ihn. »Was verschafft dir Linderung?« Plötzlich fielen ihr die Fußabdrücke auf dem Pier wieder ein. »Olivenöl?«
    Das Wesen nickte. »Und ein Arzt hat mir Mohnsaft gegeben.«
    Feyra griff nach ihrer Arzneitruhe, dabei hielt sie den Atem an, denn sein bloßgelegtes Fleisch stank nach Fäulnis. Sie goss ihm den schwarzen Trank direkt in den Mund, und obwohl er an seinen verbrannten Wangen herunterrann, gelang es ihm, etwas davon zu schlucken. Er schien ihm ein wenig neue Kraft zu geben.
    »Ich möchte eine Gunst von dir erbitten.«
    »Von mir?«
    »Ich sterbe.«
    Dies war nicht der Zeitpunkt für fromme Lügen. »Ich weiß.« Plötzlich fügte sich alles zusammen wie die Steinchen eines Mosaiks. »Das vierte Pferd ist der Tod«, sagte sie.
    »Ja. Und jetzt werde ich ihm von Angesicht zu Angesicht gegenübertreten.«
    Sie bohrte weiter. »Aber es geht nicht nur um deinen Tod, nicht wahr? Davor kommt noch mehr. Das erste Pferd, das schwarze, war die Pest. Mein Vater hat sie auf seinem Schiff hierhergebracht. Das nächste Pferd, das rote, war das zweite. Der Tod ist das vierte, das fahle Pferd. Was ist das dritte?«
    Takat schwieg, hielt die Augen geschlossen.
    Sie wiederholte drängend: »Was ist das weiße Pferd?«
    »Die Zeit läuft ab. Der Würfel ist gefallen. Aber ich muss dich um einen letzten Gefallen bitten. Du musst meine Gebeine nach Konstantinopel zurückschicken. Ich muss bei den wahren Gläubigen begraben werden, um im Paradies meine Belohnung zu erhalten. Versprichst du mir das?«
    Feyra erhob sich. Ihr Mitleid war verflogen. »Erzähl mir von dem weißen Pferd.« Ihre Stimme klang kalt wie Eis. »Sag es mir, oder ich werde dich unter den Steinen einer Kirche begraben. Ganz in der Nähe gibt es einen Tempel des heiligen Bartholomäus.« Sie beugte sich dicht über sein grausam entstelltes Gesicht. »Ich werde die Fliesen vor dem Altar anheben und dich darunter verscharren, das schwöre ich dir. Erzähl es mir. Das weiße Pferd. Was kommt noch nach Venedig?«
    »Was, wenn ich es dir erzähle?«, krächzte er schwach.
    Sie zwang sich, einen freundlichen Ton anzuschlagen. »Dann werde ich dich in einen Sarg legen und dich zu …« Sie überlegte rasch. Nicht zum Sultan, denn er würde diesem Mann, der sein Leben für ihn gegeben hatte, seinen letzten Wunsch nicht erfüllen. »Ich schicke dich zu Haji Musa, dem Arzt des Topkapi. Er wird dich den Priestern übergeben und dafür sorgen, dass sie für dich beten und dich mit allen Ehren bestatten. Und jetzt rede !«
    »Im Topkapi gibt es einen Raum«, formten die Überreste der Lippen. »Das Privatgemach des Sultans. Ich habe es einmal gesehen, als ich meine Befehle entgegennahm. Es hat einen Marmorfußboden, der die sieben Meere und alle Länder zeigt.«
    Feyra wurde ungeduldig. Takats Geist begann sich zu verwirren, wie sie es oft erlebt hatte, wenn ein Leben zu Ende ging.
    »Mein Herr besitzt eine ganze Flotte von aus vielen Metallen gefertigten Schiffen«, erklang das grässliche Flüstern erneut. »Die Schiffe reichen ihm bis zum Knie. Er kann sie bewegen, wie Allah die Sterblichen mit seiner Hand lenkt.«
    Feyra biss die Zähne zusammen. Er hatte nicht mehr viel Zeit. Die Überfahrt über die Lagune musste ihn seine letzte Kraft gekostet haben, und sie durfte gar nicht darüber nachdenken, welche Schmerzen ihm jeder Spritzer der salzigen Gischt auf seinem gehäuteten Fleisch bereitet haben musste. Sie fasste ihn bei den öligen Schultern und schüttelte ihn leicht, wobei sich ihre Finger in das weiche Gewebe gruben.
    »Vergiss die Metallschiffe. Sag mir schnell und verständlich, was du weißt.«
    Er richtete den Blick auf sie. »Das weiße Pferd steht für Krieg.«
    Eine eisige Hand schloss sich um ihr Herz. »Weiter.«
    »Der Plan des Sultans sah vor, die Stadt durch Pest und Feuer zu schwächen. Die ersten Pferde waren nur die Vorboten. Und jetzt schickt er mit den Frühjahrsfluten eine Armada aus, um Venedig einzunehmen. Es wird die größte Seeschlacht, die es je gegeben hat. Lepanto wird sich im Vergleich dazu unbedeutend ausnehmen.«
    Feyra sah ihm an, welche Schmerzen er beim Sprechen litt. Die Überreste seiner Lippen waren in

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