Die Heilerin von San Marco: Historischer Roman (German Edition)
protestieren, besann sich aber und scheuchte seine Leoni mit einem Nicken seines blonden Kopfes aus dem Raum. Die Hausangestellten folgten ihnen, dabei starrten sie Feyra mit Augen an, in denen unzählige Fragen standen.
Der Camerlengo zögerte eine Sekunde, als wolle er noch mehr sagen, dann verließ er ebenfalls den Raum. Er sah den Vogelmann nicht noch einmal an, sondern fixierte die im Schatten stehende Feyra mit einem letzten blauen Blick.
»Er weiß es.«
»Natürlich weiß er es«, gab der Vogelmann, an den Architekten gewandt, spöttisch zurück. »Er weiß alles.«
Zabato tigerte im Raum auf und ab. Seine Hände flatterten wie gestutzte Flügel.
»Könnt Ihr nicht dafür sorgen, dass er damit aufhört?«, fragte der Vogelmann Palladio, als könne Zabato ihn nicht hören.
»Lasst ihn«, versetzte Palladio. »Der Doge mag fromm und gütig sein, aber sein Wachhund ist es nicht. Kein Wunder, dass er gefürchtet wird. Und er wird zurückkommen.«
Feyra lehnte am ganzen Leib zitternd an der Wand und versuchte zu begreifen, was soeben geschehen war. Sie hätte den Dolch des Sultans gegen ein Hühnerei gewettet, dass es der Arzt gewesen war, der sie denunziert hatte, aber stattdessen hatte er sie gerettet.
»Jetzt müssen wir Feyra verstecken«, sagte Zabato Zabatini.
Palladio saß immer noch benommen auf seinem Stuhl. »Wer ist Feyra?«
Zabato deutete in die Schatten. »Sie. Das Hausmädchen, das Ihr als Cecilia Zabatini kennt.«
Palladio sah sie nachdenklich an. Sie erfasste mit einem Blick, dass ihm viel an ihr lag, dass er wusste, wie viel er ihr zu verdanken hatte und dass er sich schämte, weil er sich nie die Mühe gemacht hatte, mehr über sie in Erfahrung zu bringen. »Natürlich müssen wir sie verstecken«, stimmte er zu.
»Aber wo?« Zabatos Zähne klapperten vor Angst. »Dieses Haus hat viele Ecken und Nischen, aber der Camerlengo würde sie im Handumdrehen aufspüren. Und im Haus gibt es einige, die sie nicht schützen würden, weil sie jetzt wissen, dass sie eine Türkin ist. Selbst auf Corona Cucina ist kein Verlass. Wie Ihr wisst, wurde ihr Mann bei Lepanto getötet.«
Feyra schluckte. Selbst von Corona Cucina, ihrer Freundin und Fürsprecherin, hatte sie keine Hilfe zu erwarten.
»Ich könnte sie vielleicht nach Vicenza bringen lassen.« Das kam von Palladio.
»Nein«, hielt Zabato dagegen. »Sie wird jetzt mit Euch in Verbindung gebracht. Wenn sie in Eurem Haus gefunden wird, könnte das Eure Familie dort in Gefahr bringen.«
Der Vogelmann schwieg dazu. Er hatte sich nicht an der Diskussion beteiligt, sie hatte nichts mit ihm zu tun. »Nun – ich muss zu meiner Insel zurück.«
Die beiden älteren Männer drehten sich wie auf ein Stichwort hin um, um den maskierten Mann anzustarren.
Der Vogelmann trat mit erhobenen behandschuhten Händen einen Schritt zurück. »Ich kann sie nicht aufnehmen. Ich muss ein Krankenhaus betreiben.«
»Ein Krankenhaus auf einer Pestinsel, die niemand zu betreten wagt.«
»Was soll ich mit einem Dienstmädchen?«
»Sie verfügt über gute medizinische Kenntnisse. Das habt Ihr selbst zugegeben.«
Der Vogelmann ließ sich nicht umstimmen. »Ich weigere mich entschieden. Und jetzt muss ich gehen. Ich sehe Euch dann in einer Woche.«
Palladio erhob sich. »In einer Woche«, wiederholte er, die Silben bewusst betonend. Er trat auf den Vogelmann zu, bis seine Nase fast den Schnabel berührte. »In Gegenwart des Camerlengo«, bemerkte er obenhin, »habt Ihr gesagt, Ihr wärt jeden Tag hier gewesen. Aber das stimmt nicht. Ihr seid einmal in der Woche vorbeigekommen.«
Betretenes Schweigen antwortete ihm.
»Wie würde es Euch gefallen, wenn er das erfährt?«, überlegte Palladio laut. »Wie würde er Euch bestrafen?«
Der Arzt stand stocksteif da.
»Aber«, fuhr Palladio fort, »wenn Ihr Feyra « – er benutzte absichtlich ihren wahren Namen – »mit auf Eure Insel nehmt, braucht Ihr nur zu jedem Neumond herzukommen, also einmal alle vier Wochen, und der Doge wird nichts davon erfahren.«
Der Vogelmann bewegte sich plötzlich und packte seinen Stock. »Na schön«, bellte er. »Aber sie muss jetzt sofort mitkommen.«
»Das Haus wird bestimmt bewacht«, warnte Palladio.
»Das Wassertor«, schlug Zabato vor. »Ich werde eine Gondel mit einem felze auftreiben, so eine, wie mein Herr sie immer benutzt.« Er wandte sich an Feyra. »Hol deine Sachen aus deiner Kammer.«
Feyra rannte zu ihrer Dachkammer hoch. Ihre Gedanken überschlugen sich. Aber ihr
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