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Die Heilerin von San Marco: Historischer Roman (German Edition)

Die Heilerin von San Marco: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Heilerin von San Marco: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Fiorato
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Boden, und sie versuchte ihm das Konzept des Mizan, des Gleichgewichts von Körper, Geist und Seele zu erklären, aber in diesem Punkt waren sie erneut entgegengesetzter Meinung. Er sprach sich immer für Eingriffe aus.
    In einem Punkt stimmten sie jedoch gezwungenermaßen überein: Sie waren sich einig, dass keines der vom Consiglio della Sanità favorisierten Pestheilmittel irgendeine Wirkung zeigte. Der Vogelmann erzählte ihr die Geschichte von einem Arzt namens Valnetti und seines Vierräuberessigs, und sie machte sich mit ihm zusammen darüber lustig. Aber noch während sie lachte, kam ihr ein Gedanke: Wenn jemand glaubte, ein wirksames Heilmittel erhalten zu haben, würde die Stärke dieses Glaubens dann Auswirkungen auf seine Genesung zeigen? Konnte der Geist allein durch Glauben auf den Körper einwirken? Noch während sie über die Methoden dieses Scharlatans Valnetti spottete, räumte sie insgeheim ein, dass das, was er praktizierte, den Prinzipien des Mizan entsprach: des medizinischen Einflusses des Geistes auf den Körper.
    Aufgrund ihrer Differenzen und weil der Vogelmann Geburtshilfe nicht zu seinen Aufgaben zählte, kämpfte Feyra in dem kleinen Haus am Brunnen alleine darum, das Baby auf die Welt zu holen, als Valentina Triannis Stunde gekommen war. Nur die Mutter des Mädchens ging ihr dabei zur Hand.
    Die junge Frau wälzte sich auf ihrem Bett hin und her, wobei ihr angeschwollener Bauch gefährlich wogte, während ihr Mann unten am Feuer kauerte und versuchte, die qualvollen Schreie auszublenden. Sie lag seit dem Mittag des vorigen Tages in den Wehen, und jetzt war es fast Mitternacht. Valentina verlor immer wieder kurzzeitig das Bewusstsein. Ihr blauschwarzes Haar breitete sich auf dem Kissen aus wie die Strahlen einer dunklen Sonne.
    Feyra mühte sich im Kerzenschein ab, während ihr eigener vergrößerter Schatten über den rauen Putz der Wand tanzte und sie verspottete – das Schattenspiel eines unfähigen Arztes. Das Problem bestand in der Figur des Mädchens, ihr Becken war schmal, das Kind jedoch sehr groß. Hier auf Lazzaretto aßen die Inselbewohner gut – denn Feyra wusste, dass eine gesunde Ernährung der beste Arzt überhaupt war – und atmeten die frische Salzluft. Wenn Valentina ihr Kind in einem Armenviertel bekommen würde, wäre es vielleicht so mühelos aus ihr herausgeglitten wie ein eingeöltes Zicklein, aber hier war das Baby zu groß für den Schoß der Mutter geworden. Als die Kirchenglocke dumpf die Mitternachtsstunde einläutete, wischte sich Feyra daher die Hände ab und sagte Valentinas Mutter, sie würde den Arzt holen.
    Sie sah die Erleichterung auf dem Gesicht der alten Frau, war aber nicht gekränkt, sondern froh. Sie wusste, dass sie in den Streitgesprächen mit dem Vogelmann recht gehabt hatte. Es war fast ebenso wirkungsvoll zu glauben, dass ein Heilmittel greifbar war, wie das Mittel selbst. Der Arzt fungierte sozusagen als Scheinmedikament. Trotzdem kostete es sie Überwindung, zu dieser Stunde zu dem Vogelmann zu gehen und zuzugeben, dass sie nach sechsunddreißigstündigen Wehen Gefahr lief, Mutter wie Kind zu verlieren und dass in diesem Fall ein chirurgischer Eingriff die einzige Möglichkeit war, beide zu retten.
    Mit neu erwachter Energie lief sie durch die Nacht, das Fenster des Arztes wies ihr wie der Polarstern den Weg. Sie hämmerte zweimal an die hölzerne Tür, erhielt aber keine Antwort. Also atmete sie die kalte Luft tief ein, hob den Riegel an und trat in den Raum.
    Ein junger Mann saß zusammengekauert am Feuer. Seine dunklen Locken fielen nach vorne und verdeckten sein Gesicht zum Teil. Der Feuerschein zauberte kupferne Lichter in sein Haar. Er starrte so gedankenversunken in die Flammen, dass er ihr Klopfen überhört hatte. Aber als sie ins Haus trat, sprang er so abrupt auf, dass der Stuhl umkippte.
    »Wo ist der Arzt?«, fragte Feyra.
    Der junge Mann legte unwillkürlich eine Hand an seine Wange, als sei er nackt überrascht worden. Sie begann zu begreifen. »Ich bin der Arzt«, sagte er.
    Feyra trat einen Schritt zurück. Seine Stimme klang ohne die harte Schale der Maske etwas anders als sonst, weicher, weniger kratzend. »Ihr seid der Arzt? Aber Ihr seht so …« Sie wusste nicht recht, wie sie den Satz beenden sollte. Jung aus? Attraktiv? Überrascht? Schuldbewusst? Und in die Enge getrieben, dachte sie.
    Seine Hand zuckte zu der Maske, die an seinem Schürhaken hing, und sie fragte sich, ob er sich dahinter versteckte wie sie sich

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