Die Heilerin von San Marco: Historischer Roman (German Edition)
etwas ein. »Valentinas Geburtstag, das Fest des heiligen Valentin, wie sie mir sagte. Und dann ist da noch Zabato Zabatini, der nach einem Glückstag benannt wurde.« Sie dachte an ihren alten Freund und seinen Herrn und die Kirche, die um das Grab ihres Vaters herum entstand. »Und euer heiliger Nonnatus … jetzt wissen wir, woher sein Name kommt.« Sie sah ihn an. »Ihr seht also, dass einige eurer Namen eine Bedeutung haben, auch wenn das bei Eurem nicht der Fall ist.«
Er schwieg eine Weile. »Ich habe nicht die Wahrheit gesagt«, bekannte er schließlich stockend. »Ich weiß, warum ich Annibale getauft wurde.«
Sie wartete geduldig ab.
»Hannibal war ein Feldherr aus Karthago, der im Zweiten Punischen Krieg mit Elefanten über die Alpen nach Italien zog, um die Macht Roms zu brechen. Als er aufbrach, hatte er keine Vorstellung davon, was ihn erwartete oder ob er sein Ziel je erreichen würde.«
Sie schwieg ebenfalls. Mit einem Mal erinnerte sie sich an die Tradition des wechselseitigen Geschichtenerzählens und daran, wie sie und Tod solche Geschichten ausgetauscht hatten. »Im Osmanischen Reich«, begann sie, »gibt es für die Kameltreiber entlang ihrer Handelswege Rastplätze, die man Karawansereien nennt. Manchmal liegen Hunderte von Meilen zwischen ihnen, und um sie zu erreichen, müssen die Männer Wüsten durchqueren oder Berge überwinden. Aber sie reisen in dem Wissen, dass es am Ende ihrer Reise einen Ort gibt, wo sie ausruhen und sich stärken können. Selbst wenn sie noch nie in dieser Gegend waren, hegen sie keinen Zweifel daran, dass sie früher oder später auf eine solche Karawanserei stoßen werden.«
Annibale beugte sich interessiert vor. »Woher wissen sie das?«
»Sie wissen es nicht. Sie vertrauen auf ihren Glauben.«
Er lehnte sich wieder zurück. »Ich glaube, das hat Hannibal auch getan. Deswegen hat mich meine Mutter so genannt.« Sie sah ihm an, dass es ihn Überwindung kostete, von ihr zu sprechen. »Ihr gefiel die Geschichte. Sie sagte, niemand könne wissen, was der nächste Tag bringt, aber man müsse hoffen, tapfer sein und darauf vertrauen, dass alles gut wird.«
Der Camerlengo musterte den Mann vor ihm prüfend. Er trug das geschlitzte Wams und den roten Hut eines Gondoliere, und diese zählten nicht unbedingt zu den ehrlichsten Männern. Aber die Augen dieses Burschen blickten ruhig und klar, und er sprach mit fester Stimme. Der Camerlengo erkannte einen Lügner, wenn er einen sah, und er glaubte nicht, jetzt einen vor sich zu haben.
»Bist du sicher?«
»So sicher, wie ich hier stehe, Euer Ehren. Cosimo heißt er, und er arbeitet an der Tre-Archi-Brücke. Letzten Donnerstag war es. Er sagte, er hätte eine Frau bei der Adresse abgeholt, nach der Ihr gefragt habt. Er erinnerte sich daran, weil der Mann, der ihn gerufen hatte, ausdrücklich eine felze verlangte.« Der Mann sah den Camerlengo an und fühlte sich bemüßigt, hinzuzufügen: »Eine Gondel mit Verdeck.«
Der Camerlengo war es gewohnt, für einen Ausländer gehalten zu werden. »Hat sie irgendjemand begleitet?«
Der Gondoliere zuckte die Achseln. »Das hat er nicht gesagt.«
Der Camerlengo hob die hellen Brauen. »Aber er hat dir trotzdem von dieser Frau erzählt?«
»Er hat im Wirtshaus damit geprahlt. Hat gesagt, er würde reich werden.«
Der Camerlengo legte die Hände gegeneinander. Gondolieri waren bekanntermaßen gierig und käuflich, und was noch wichtiger war, sie hatten keinen Gemeinschaftssinn. Er wusste, dass es nicht lange dauern würde, bis einer von ihnen an seine Tür klopfte, wenn eine Belohnung ausgesetzt war. Aber etwas passte nicht ins Bild.
»Warum ist er dann nicht selbst gekommen, um die Belohnung einzustreichen, was meinst du?«
»Das weiß ich nicht, Euer Ehren.« Der Gondoliere scharrte mit den Füßen. »Kann ich jetzt meine Dukaten haben?«
Der Camerlengo betrachtete ihn nachdenklich, dann erhob er sich. »Bring mich erst zu ihm.«
Er hätte eine Leoni -Eskorte mitnehmen können, verzichtete aber darauf. Stattdessen entschied er sich für die zwei Wachposten, denen das Mädchen damals entwischt war. Er wählte sie bewusst aus, weil er so gut wusste wie sie, dass sie ihm ihr Leben verdankten. Er wartete nicht ab, bis ihm seine Kappe und sein Umhang gebracht wurden, sondern schritt so, wie er war, in sein schwarzes Leder gekleidet, hinter dem Gondoliere die steinerne Treppe hinunter, gefolgt von den Wächtern.
Der Gondoliere steuerte sein Boot durch geheime, unbekannte
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