Die Heilerin
Margaretha räumte ihr Zimmer und überließ es ihm. Sie quartierte sich für die Zeit seines Besuches bei Rebecca und Dirck ein.
Regelmäßig trafen sich die Gemeindemitglieder zum Gebet, immer in kleinen Gruppen, denn sie hatten nicht genügend Platz, um alle gemeinsam zu beten. Die neue Siedlung wurde schon bald »Germantown« genannt. Der Fleiß und die Gottesfurcht der Siedler sprachen sich schnell herum. Doch nicht jeder der Siedler war zufrieden. Zu karg war das Leben, zu groß die Einöde und der Winter zu hart. Unmut machte sich breit, einige Familien überlegten weiterzuziehen.
»Meine Lieben Brüder im Glauben, meine Freunde, verzagt nicht«, sagte Pastorius. »Auch dieser Winter wird weichen, und das Frühjahr und der Sommer werden euch für Not und Drangsal entschädigen.«
»Woher wollt Ihr das wissen?«, murrte Johann Lenßen. Mercken erholte sich nur mühsam von der schweren Geburt. Sie litt unter der mangelnden Nahrung und der Kälte, trauerte um ihr totes Kind.
»Ich habe mit vielen Menschen gesprochen, die schon länger hier siedeln. Im März spätestens wird der Schnee schmelzen und das Eis tauen. Ihr werdet sehen, wie schnell dann alles grünen und blühen wird.«
»Wenn wir bis dahin überleben. Unsere Vorräte sind aufgebraucht, und das Jahr ist noch nicht zu Ende. Bis März sind es noch mehr als drei Monate.«
»Wir werden alle gemeinsam diesen Winter überstehen. Im nächsten Jahr wird Germantown eine erfolgreiche Siedlung sein. So viel haben wir bis hierher geschafft. Haltet durch, ihr werdet belohnt werden.«
»Dies ist eher Armentown. Wir werden verhungern«, meldetesich nun auch Tönis Kunders zu Wort. »Was habt Ihr uns nicht alles versprochen, doch kaum eins der Versprechen habt Ihr halten können. Wie sollen wir Euch jetzt noch glauben?«
»Wenn Ihr nicht mir vertraut, dann vertraut in Gott. Er hat uns dieses Land geschenkt.« Pastorius hob beschwichtigend die Hände.
»Geschenkt? Wir haben mit harten Talern dafür bezahlt. Und jetzt werden wir auch unser Leben geben müssen.«
»Nein, das werden wir nicht, Brüder und Schwestern.« Pastorius schüttelte den Kopf. »Wir werden die Zähne zusammenbeißen und diese harte Zeit überstehen. Und wir werden dafür reichlich belohnt werden.«
Er brauchte eine Weile, um die Siedler zu beruhigen. Versprach ihnen einiges von seinen Vorräten. Schon am nächsten Morgen sollte eine Gruppe mit ihm zurück nach Philadelphia gehen, um Sauerkraut und Pökelfleisch zu holen.
»Wenn der Schnee nicht so hoch läge, würden einige unserer Brüder weiterziehen. Andere warten nur auf das erste Schiff, um wieder zurück nach Europa zu segeln.« Hermann verzog besorgt das Gesicht, als sie später zusammen am Tisch saßen. »Es wird mehr brauchen als ein Fass Sauerkraut und ein paar gute Worte, um sie zu halten.«
»Ja«, sagte Pastorius bedrückt. »Mir ist das bewusst. Und doch habe ich nicht mehr zu bieten. Mich würde es dauern, würden sie weiter- oder gar zurückziehen. Ich glaube durchaus daran, dass es im nächsten Jahr besser werden wird. Dieser Winter, so wurde mir gesagt, ist ungewöhnlich streng.«
»Will Gott uns prüfen?« Abraham strich sich über den Bart.
»Vielleicht. Möglicherweise müssen wir uns dieses Landes wert erweisen. Eins zumindest haben wir hier – unseren Glauben und die Freiheit, ihn zu leben. Niemand hier zwingt uns ein Glaubensreglement auf.«
»Es ist ja auch keiner da, der das könnte«, murmelte Esther verdrossen. »Hier sind ja nur wir.« Sie rührte in dem Eintopf, schaute in den Ofen, wo das Brot buk.
»Was machen die Siedler in Philadelphia?«, fragte Margaretha. »Wovon leben sie?«
»Sie haben Vorräte angelegt.« Pastorius seufzte. »Mir war nicht bewusst, dass es so wenig Handel gibt. Dass wir kaum Möglichkeiten haben, Nahrung zu kaufen.«
»Nun denn«, Margaretha nahm das Stopfzeug wieder zur Hand, »auch diese Siedler sind irgendwann hier angekommen und haben den ersten Winter überlebt. Wir werden es auch schaffen.«
»Amen.« Pastorius warf ihr einen dankbaren Blick zu.
Am nächsten Tag machte sich eine Gruppe der Siedler zusammen mit Pastorius auf, um nach Philadelphia zu gehen. Er wollte im Haushalt von William Penn um Nahrung bitten und auch einige seiner eigenen spärlichen Vorräte spenden. Voller Hoffnung sah Margaretha ihm hinterher.
Zwei Tage später kamen sie zurück, brachten Fässer und Säcke mit. Es war nicht viel, und sie würden es teilen müssen, aber sie
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