Die Heilerin
ich, auch wenn er dunklere Haut hat.«
»Die Wunde ist tief. Ich hoffe, er bekommt kein Fieber«, meinte Margaretha besorgt. »Ich werde ihm einen Aufguss aus Arnika und Weidenrinde bereiten. Samuel, Hartje, schau mal hier«, sagte sie zu ihrem Neffen, der ihnen in die Küche gefolgt war. »In dem Korb sind Drosselbeeren. Kannst du sie von den Zweigen pflücken und putzen? Hier ist eine Schale, da kannst du die Beeren hineintun.«
»Diese hier, die so rot leuchten?«, fragte der kleine Junge.
»Richtig. Wir tun sie gleich in den Eintopf, das gibt einen frischen Geschmack.«
Margaretha sah sich um. »Was habt ihr denn beschlossen wegen der Theißens?«
»Noch nichts. Bevor die Männer sich einig werden konnten, bist du mit unserem Gast gekommen. Ich freue mich schon auf Catharinas Gesicht.« Esther lachte leise.
Rebecca hatte den Brotteig geknetet, formte nun die Laibe und schob sie in den Ofen. Sie war ungewöhnlich still.
»Hartje, macht dir der Wilde Angst?«, fragte Margaretha besorgt.
Rebecca schüttelte den Kopf. »Mir ist übel und schwindelig.«
»Das ist ein gutes Zeichen, auch wenn es sich für dich nicht so anfühlen mag. Das Kind wächst in deinem Bauch und nimmt Platz in Anspruch, daran muss sich dein Körper erst gewöhnen. Ich mache dir einen Aufguss aus Frauenmantelkraut und Minze, das lindert die Übelkeit.« Sie nahm die entsprechendenKräuter, hängte einen kleinen Topf über das Feuer.
»Frische Luft würde mir guttun«, meinte Rebecca. »Ich war kaum draußen heute. Von dem Qualm und der Enge bekomme ich Kopfschmerzen. Haben wir noch irgendetwas, das wir den Theißens geben können? Ich würde es ihnen gerne bringen.«
»Wir haben noch einen halben Sack Bohnen, einen viertel Sack Erbsen, zwei frische Kaninchen, wenig Butter und zu wenig Käse, als dass wir ihn teilen könnten.« Esther schaute sich um.
»Bring ihnen Bohnen und Erbsen, die Brombeeren, die ich heute gefunden habe, einen Laib Brot, das Stück Speck und eins der Kaninchen.«
Margaretha packte einen Korb mit den Sachen. »Wir haben noch genügend Wein und auch Branntwein. Frag nach, ob sie etwas brauchen.«
Rebeccas Augen leuchteten. »Ihr seid so gut. Ich bin froh, zu eurer Familie zu gehören.« Sie nahm den Korb und verließ die Hütte durch die Tür in der Küche.
Margaretha und Esther sahen ihr hinterher. Esther senkte den Kopf.
»Was bedrückt dich?« Margaretha nahm die Schwägerin in den Arm.
»Zu geben ist leicht, wenn man es denn hat. Noch ist der Winter nicht vorbei, und mir graut es vor dem Tag, an dem ich meinen Kindern Rinde zum Kauen geben muss.«
»Esther, so weit wird es nicht kommen. Du hast doch gesehen, immer wieder verirrt sich ein Kaninchen in eine Schlinge.« Margaretha lachte trocken. »Heute haben wir sogar einen Wilden mit einer Tellerfalle gefangen. Beim nächsten Mal ist es vielleicht ein Hirsch oder ein Schwein.« Sie schluckte. »Ja, es stehen noch einige harte Wochen vor uns, aber wir werden es überstehen, wir dürfen nur nicht den Mut verlieren.«
»Ich bekomme ein Kind«, wisperte Esther. »Noch eins. Noch ein hungriger Magen, der gefüllt werden muss.«
Margaretha sah sie an. »Wirklich?«
Esther nickte.
»Das ist wunderbar. Das ist herrlich. Lass uns Gott dafür danken. Esther, sorg dich nicht. Wenn dieses Kind geboren wird, haben wir den Winter längst überstanden.«
»Wohl wahr, aber dann steht schon der nächste vor der Tür.« Esther schauderte. »Ich hoffe, das Frühjahr kommt bald.«
»Das Frühjahr kommt sicher.«
Sie deckten den Tisch, holten das Brot aus dem Ofen.
»Was ist mit dem Wilden?«, fragte Hermann. »Sollen wir ihn in die Küche holen?«
Für einen Moment überlegte Margaretha, dann nickte sie. »Lass ihn teilhaben an unserer schlichten Mahlzeit.«
»Eine gute Idee«, sagte Pastorius. »So sehen sie, dass wir nichts haben, das uns zu neiden lohnt.«
»Neid?«
»Nun ja, Eure Brüder befürchten dies. Der Winter ist sicherlich nicht nur für uns hart.«
»Eure Brüder.« Hermann schnaubte. »Abraham hat Zweifel und Sorgen. Ich nicht. Die Wilden leben schon lange hier, sind mit den Jahreszeiten vertraut. Sie werden wissen, wie man solche Winter übersteht.«
»Aber …« Abraham erhob sich halb, doch Hermann schüttelte den Kopf. »Genug geredet, Bruder. Lasst uns still beten und Gott preisen.« Er seufzte.
Die Familie versammelte sich um den Tisch. Sie holten den verletzten Mann dazu, gaben ihm einen Platz auf der Bank. Nachdenklich betrachtete er
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