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Die Heilerin

Die Heilerin

Titel: Die Heilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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gut. Jetzt ist der Krieg beendet, und der Handel mit den Niederlanden wird wieder einfacher. Und von dort aus können wir in die ganze Welt verkaufen.«
    »Erinnert ihr euch an William Penn?«, fragte Heinrich leise und sah seinen Vater Isaak an. »Den Quäker aus England, der in diesem Jahr bei uns zu Gast war?«
    »Ein netter Mensch, ein wahrer Bruder!« Alfred nickte. »Nicht alles, was er in Glaubensfragen sagte, würde ich unterschreiben, aber seine Gesinnung war rechtens.«
    »Ja, ja, Bruder Alfred«, sagte Heinrich bedächtig. »Aber erinnert ihr euch an seinen Traum? Das Land der Glaubensfreiheit, ohne religiöse Beschränkungen?«
    »Das ist eine Illusion, mein lieber Junge.«
    Margaretha sah, dass Heinrich zusammenzuckte. Mit knapp dreißig war er schon lange kein Junge mehr und wollte sicherlich nicht so genannt werden.
    »Eine Illusion? Vielleicht. Penn will sie verwirklichen. In Neuengland jenseits des Meeres«
    »Dann soll er das tun. Was hat das mit uns zu kriegen? Wir müssen den Winter überstehen.«
    »Ein Land ohne religiöse Beschränkungen, ein Land desfriedlichen Miteinanders. Das klingt traumhaft schön.« Tönis Kunders streckte sich. »Fast zu schön, um wahr zu sein.«
    »Das ist es auch. Noch hat er das Land nicht sicher. Die englische Krone hat es ihm jedoch versprochen. Wäre das für uns eine Alternative?« Heinrich setzte sich auf, schaute in die Runde. Margaretha suchte erschrocken den Blick ihrer Mutter, diese schüttelte beruhigend den Kopf und schickte sie mit einer Geste in die Wohnküche.
    Während die Männer in der Stube diskutierten, saßen die Frauen in der Küche zusammen, nähten, stopften und erzählten. Aber auch hier war die Stimmung nicht so gelöst wie gewöhnlich.
    »Die Leute sind so unfreundlich!« Sina Verheugen schnaufte. »Ich verkaufe die Eier meiner Hühner und Gänse immer auf dem Markt, durch das Wetter sind es weniger, und natürlich sind sie teurer. Noch nie hat mir jemand meinen Glauben deshalb vorgeworfen. Aber jetzt ist es so.«
    »Das geht mir auch so. Ich werde angepöbelt. Es ist furchtbar.« Antje Floh schüttelte den Kopf. »Aber deine Familie leidet sicher besonders, Margaretha.«
    Margaretha füllte den Würzwein auf, spürte die mitleidigen Blicke der anderen. Hektisch drehte sie sich um, ihre Wangen glühten. »Wieso? Was ist bei uns anders als bei euch?«
    Die Frauen schwiegen plötzlich, senkten ihre Köpfe über das Flickwerk. Eva saß in der Ecke, spielte fröhlich mit ihren Strohpuppen. Viele Blicke wanderten verschämt zu dem Kind. Margarethas Haut spannte sich rot und heiß über die Wangen. Fassungslos schüttelte sie den Kopf. »Wegen Evchen? Sie ist so ein Engel, so ein Schatz.«
    »Das siehst du so, deine Familie. Aber viele andere sehen das anders.« Sina Verheugen schüttelte den Kopf. »Der Name deiner Mutter wird immer öfter mit dem Begriff ›Hexe‹ verbunden.«
    »Ja, ja«, mischte sich eine andere Frau ein. »Gretje hat einemissgestaltete Tochter und will Kinder zur Welt bringen? Da ist die Angst groß.«
    »Eva? Missgestaltet?« Margaretha holte tief Luft. »Das kann nicht Euer Ernst sein. Was ist an Eva missgestaltet? Und was hat das mit der Kunst meiner Mutter zu tun? Sie ist Hebamme, Heilerin, seit Jahren, Jahrzehnten schon. Die meisten von euch haben ihre Kunst in Anspruch genommen und sich betreuen lassen.«
    »Das ist richtig. Meisje. Aber die Zeiten ändern sich. Die Leute haben Angst. Und deine Mutter muss aufpassen.« Antje Floh sah sie nachdenklich an.
    Margaretha nahm die Worte mit in den Schlaf. Sie hatte keine Gelegenheit, vorher mit ihrer Mutter darüber zu sprechen. In dieser Nacht, da es wieder schneite und der eisige Wind aus dem Norden um die Häuser heulte, nahm sie Eva mit zu sich ins Bett. Sie kuschelte sich an den warmen, weichen Körper, sog den süßlichen Geruch der Kinderhaut tief ein. Die beiden Mädchen schliefen selig und entspannt, genossen die Nähe, Wärme und Liebe.
    Am nächsten Tag galt es aufzuräumen. Die Gemeindetreffen gerieten immer größer, weil die Anzahl der Gemeindemitglieder anstieg.
    »Wir müssen endlich so etwas wie eine Kirche haben«, grummelte Isaak und räumte die Stühle beiseite. Dann ging er ins Nebenhaus zu den Webstühlen.
    »Lass uns das Stroh auskehren und neues aufschütten.« Gretje stemmte die Hände in die Hüften und seufzte. »Das wollte ich sowieso vor Christmett machen. Annemieke kann auf den Markt gehen und nach Heringen schauen, frische Wurzeln und auch

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