Die Heilerin
die Stirn in Falten und sah Hermann streng an. Isaak war hager geworden. Der buschige Bart, der ihm bis auf die Brust reichte, war inzwischen durchzogen mit weißen und grauen Haaren. Er schien in den letzten Wochen sehr gealtert zu sein.
»Wer soll mit dir worüber sprechen?« Isaak ließ sich schwer auf einen Stuhl fallen.
Hermann räusperte sich. »Du, Vater, solltest mit uns reden. Margaretha reibt sich für uns alle auf. Wie lange soll sie das noch machen und wie durchstehen? Die Lehrjungen und die Gesellen treibst du an und an, du hast unser Tagespensum fast verdoppelt. Wohin soll das noch führen?«
Isaak sah seinen Sohn mit einem strafenden Blick an, der Margaretha das Blut gefrieren ließ. »Harte und ehrliche Arbeit hat noch niemandem geschadet.«
»Nein, harte Arbeit schadet nicht, Vater, aber Margaretha hat die Verantwortung für zwei Haushalte inzwischen, zehn hungrige Mäuler, die gestopft werden müssen, zwei Häuser, die es gilt sauber zu halten. Zudem muss sie sich um die Wäsche kümmern und nicht zuletzt auch um Mutter. Guck dir deine Tochter an, sie geht daran kaputt.«
Isaak sah Margaretha an. Das Mädchen senkte beschämtden Kopf. So in der Aufmerksamkeit aller zu stehen war ihr unangenehm.
»Margret ist ein kräftiges und junges Mädchen. Als ich deine Mutter geehelicht habe, war sie nicht viel älter als Margret, und wir hatten keine Magd. Sie hatte keine Probleme damit. Eine Magd konnten wir uns erst leisten, als Abraham schon geboren war.«
»Ja, da waren wir zu viert. Margret muss für zehn Personen das Essen zubereiten. Davon sind acht hungrige Männer. Ich glaube kaum, dass du das vergleichen kannst. Und wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht, war Mutter schon zweiundzwanzig, als du sie zur Frau nahmst. Margret ist fünfzehn.«
»Sie wird bald sechzehn. Ich habe auch nicht gesagt, dass dieser Zustand auf ewig anhalten soll. Nur jetzt möchte ich keine weitere Unruhe in dieses Haus bringen, Sohn. Deine Mutter hätte bestimmt Schwierigkeiten damit, wenn eine fremde Person hier einzieht. Eine neue Magd müsste erst alles lernen. Das bedeutet Unruhe.« Missmutig schaute Isaak in die Runde. »Bring mir Wein, Tochter.«
Margaretha sprang auf, ihre Hände zitterten. Es war ihr unangenehm, dass wegen ihr gestritten wurde. Beinahe hätte sie den Wein verschüttet. Der Vater nahm den Becher, trank einen großen Schluck.
»Vater, ich bin mir sicher, dass Mutter es verstehen, ja, sogar gutheißen wird, wenn wir uns Unterstützung holen«, sagte Hermann versöhnlich.
»Willst du mir sagen, wie ich meinen Haushalt führen soll, willst du das, Hermann?«, brummte der Vater mürrisch.
Hermann lehnte sich zurück. Eine steile Falte erschien zwischen seinen Augenbrauen. »Nein, ganz sicher nicht. Ich suche nur nach Lösungen, die allen gerecht werden, nicht nur Mutter.«
»Und du meinst, ich sei dazu nicht fähig?« Isaaks Stimme war leise, und deshalb klang er umso bedrohlicher. Er trankden Becher leer, reichte ihn Margaretha, ohne sie anzusehen. Das Mädchen sprang eilends auf und füllte ihn erneut. Der rote Wein schimmerte im Kerzenlicht dunkel wie Blut.
»Doch, Vater, natürlich. Mir scheint nur, dass du den Blick für einige Dinge verloren hast.«
»Bitte?« Isaak richtete sich auf. Es lag eine unerträgliche Spannung im Raum, Margaretha ballte wieder die Hände zu Fäusten. Am liebsten hätte sie alle angefleht, doch aufzuhören.
»Hermann, ich warne dich«, knurrte Isaak. »Vergiss deine Stellung hier im Haus nicht.«
Hermann schob seinen Stuhl zurück. »Nein, ganz sicher nicht, Vater. Ich mache mir nur meine Gedanken und wollte helfen. Offensichtlich habe ich mich im Ton vergriffen. Verzeih.« Er stand auf, griff nach seiner Jacke und dem Hut und ging. Krachend fiel die Haustür hinter ihm ins Schloss.
Margaretha stand verstört auf und deckte den Tisch. Dirck kam von nebenan. Auch er sah erschöpft aus.
»Ich bringe den Jungs das Essen«, sagte er zu Margaretha, die gerade den Topf vom Herd nehmen wollte.
Sie aßen schweigend. Dirck sah Margaretha fragend an, doch sie schüttelte nur den Kopf. Isaak füllte seinen Becher zum vierten Mal nach, brach das Brot und stippte einen Kanten in den Schmalztopf, als sie Schritte auf der Treppe hörten.
Gretje, gehüllt in ihr Umschlagtuch, kam in die Küche. »Kannst du mir bitte einen Becher Würzwein geben, Meisje«, sagte sie zu Margaretha.
»Magst du nichts essen, Mutter? Der Braten ist ganz saftig und zart.«
»Danke, mein
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