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Die heilige Ketzerin: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Die heilige Ketzerin: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die heilige Ketzerin: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Domeier
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einen Moment Zeit zum Nachdenken. »Mir ist nicht wohl bei der Sache. Dieser Herr von Engern versucht, sich mit den Wundern zu profilieren. Er ist mir suspekt. Was hat er vor? Wo soll das enden? Für Rinteln wäre es besser, wenn die Frau Nachtigal keine Visionen mehr hätte.«
    »Wie meint ihr das? Wenn sie keine Visionen mehr hätte?«
    Sie lächelte Ludolf neckisch an. »Hat man euch eigentlich schon gesagt, dass ihr sehr offen seid? Euren Augen nach zu urteilen, zeigt ihr nicht unbedingt viel Respekt vor höhergestellten Personen.«
    Er biss sich auf die Lippen und wippte verlegen vor und zurück. »Ähnliches sagte mir schon Bischof Otto von Minden.«
    »Hat wohl nicht gewirkt?«
    Der junge Mann holte tief Luft. »Die einen haben das Glück, in eine hochgestellte Familie hineingeboren zu werden. Die anderen kommen zwischen Stall und Abfallgrube zur Welt. Das bestimmt unser Leben. Darauf haben wir keinen Einfluss. Stünden wir plötzlich ohne Titel, Geld und feudale Kleidung da, wären wir uns auf einmal sehr ähnlich. So wie ihr jetzt.«
    Die Gräfin machte große Augen und sah an sich herunter.
    »Als wir hereinkamen, hielten wir euch für eine der Mägde.«
    Sie nickte zustimmend. »Aber dann vergesst ihr, dass unser Charakter einen Einfluss darauf hat, wie uns andere sehen und welchen Respekt sie uns entgegenbringen.«
    »Das stimmt. Aber könnte jemand nur aufgrund seines außergewöhnlichen Charakters Graf, Bischof oder sogar König werden?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Das mag ja alles sein, aber betrachtet euch doch einmal selbst. Eure Familie gehört zu den angesehenen Leuten. Euer Vater hat ein verantwortungsvolles Verwalteramt. Profitiert ihr nicht auch davon?«
    »Oh, doch. Ich bin auch sehr dankbar dafür. Aber ich erkenne sehr wohl, was ich mir erarbeitet habe und was mir in den Schoß gefallen ist.«
    Mathilde von Braunschweig sah Ludolf einen Moment schweigend an. »Was macht ihr eigentlich, wenn ihr diese Mission beendet habt?«
    »Im Moment helfe ich dem Rat in Minden bei der Verwaltung. Warum fragt ihr?«
    »Wollt ihr unser neuer Verwalter werden?«
    Überrascht hielt er die Luft an. Rinteln wäre sicherlich vorteilhafter als Minden. Damit könnte er seine Familie öfter sehen. Vater würde sich ganz besonders darüber freuen. Und Agnes wäre auch nicht mehr so weit entfernt. Obwohl – wozu sollte das nütze sein? Sie nähme ihr Gelübde doch sowieso nie zurück.
    Ludolf räusperte sich. Mit belegter Stimme antwortete er schließlich: »Darüber möchte ich vorher mit meinem Vater sprechen.«
    »Gern.« Sie lächelte wieder auf eine sehr bezaubernde Art.
    »Aber bis dahin könntet ihr uns sagen, wie ihr das meintet: Es wäre besser, wenn die Maria keine Visionen mehr hätte?«
    Die Gräfin holte tief Luft. »Entweder ihre Visionen – vermeintlich oder echt – hören auf, oder sie spricht nicht mehr davon, oder sie verschwindet ganz einfach.«
    »Und was ist mit tot?«
    »Das habe ich nicht gemeint.« Nach einem kurzen Augenblick des Zögerns ergänzte sie: »Es wäre aber eine akzeptable Option.«
    Agnes hatte sich wieder gefangen und beteiligte sich erneut am Gespräch. »Warum möchtet ihr, dass Maria mit ihren Visionen aufhört?«
    Mathildes Gesicht war sehr ernst geworden. »Habt ihr schon von den Streitereien wegen ihrer Träume gehört?«
    »Oh, ja«, bestätigte die Nonne. »Wir haben selbst erlebt, wie sich die Nachbarn plötzlich in den Haaren lagen.«
    »Seht ihr, liebe Schwester Agnes. Das finde ich höchst bedenklich. Es macht mir Angst.« Dabei schüttelte sich die Gräfin, als liefe ihr gerade ein Schauer über den Rücken. »In der Stadt entsteht eine gefährliche Unruhe, die das Volk entzweit. Für den Fall, dass die Streitereien zu offenen Auseinandersetzungen ausarten, haben wir im Moment zu wenige Soldaten hier in Rinteln. Mein Mann ist gerade im Norden und hat dort genug zu tun. Ich will hier keinen Aufstand bekommen, weil jemand irgendwelche göttlichen Eingebungen hat. Rinteln gehört zum Schauenburger Stammgebiet. Es muss auf jeden Fall gesichert werden. Zur Vorsicht habe ich schon nach Verstärkung geschickt und hoffe inständig, dass sie bald kommt.« Sie atmete wieder tief durch. »Aber das ist nicht alles. Hinzu kommen noch die Eifersucht der anderen Städte und der Argwohn der Fürsten in der Nachbarschaft. Glaubt ihr im Ernst, dass es sich der Mindener Bischof gefallen lässt, dass Rinteln zu einem religiösen Zentrum wird? Fast genau vor seiner Nase. Das ginge

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