Die heilige Ketzerin: Historischer Kriminalroman (German Edition)
doch nur auf Kosten seines Doms und seines Einflusses.«
Nach diesen offenen Worten herrschte nachdenkliches Schweigen in der Runde. Nur das geschäftige Treiben der Mägde bei der Wäsche war zu hören. Ludolf und Agnes schauten sich erstaunt an. Sollte der Mindener Bischof seine Hände im Spiel haben? Hatte er Angst um seine Macht und seine Stellung? Dazu passte natürlich, dass gerade jetzt der Domdekan hier in Rinteln war und Maria hinterherschnüffelte. Sein Interesse galt demnach nicht nur den Wundern und Visionen, so wie er beteuert hatte, sondern insbesondere den sich verschiebenden Machtverhältnissen. Mit dieser Sichtweise erschien die Beauftragung von Agnes und Ludolf plötzlich in einem ganz anderen Licht. Sie waren ausgesucht worden, weil sie schon in Minden gute Dienste geleistet hatten und entsprechend belohnt und gelobt worden waren. Man dachte wohl, aus Loyalität gegenüber dem Domkapitel würden sie sich bei Hinweisen gegen Minden mit entsprechenden Nachforschungen zurückhalten. Nur ein Blick genügte, und die beiden waren sich einig, dass sie sich nicht vor diesen Karren spannen lassen würden. Der Domdekan gehörte ab sofort zu den Verdächtigen.
Agnes flüsterte Ludolf zu: »Und nun?«
»Wir machen weiterhin wie bisher.«
Sie nickte nur. Ihre Lippen waren zu einem blassen Strich zusammengepresst. Sie wollte sich keinesfalls ausnutzen lassen.
Der junge Mann wandte sich wieder an die Gräfin: »Habt ihr denn etwas unternommen, um diesen Aufruhr zu beenden?«
Sie sah ihn scharf an und lächelte dann wissend. »Ihr wollt mich aufs Glatteis führen?«
Ludolf hob abwehrend die Hände. »Euer Durchlaucht, natürlich nicht. Aber vielleicht denkt der einfache Bürger auf der Straße darüber nach.«
Die Gräfin grübelte einen Moment, bevor sie antwortete. »Wir haben niemanden beauftragt. Das dürften wir auch auf keinen Fall. Es würde das Volk gegen uns aufbringen. Aber vielleicht hat ein ... ähm ... übereifriger Bediensteter den Wunsch des Grafen als persönliche Mission missverstanden.«
»Habt ihr solch einen Wunsch denn schon geäußert?«
»Nein.« Sie lächelte wieder so, als wüsste sie mehr als sie sagte. »Aber es ist doch möglich, dass jemand denkt, mein Mann hätte diesen Wunsch. Oder?«
Bei Ludolf spielten die Gedanken verrückt. War das ein Geständnis gewesen? Wusste die Gräfin etwas und verschleierte das auf eine geschickte Art und Weise? Oder spielte sie nur mit ihm und war völlig unschuldig?
Er konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen und sagte resigniert: »Möglich.«
Mathilde von Braunschweig stellte mit einem zufriedenen Lächeln fest, dass sie dem vorlauten jungen Mann in die Parade gefahren war. »Auch wenn ich euch heute nicht helfen konnte, wünsche ich euch trotzdem viel Glück bei eurer Suche nach dem wahren Mörder. Ihr werdet sicher etwas finden. Falls ihr wirklich einmal meine Hilfe braucht, stehe ich sofort zur Verfügung. Ihr müsst es nur sagen.«
Die Besucher verstanden den Wink und verabschiedeten sich ehrerbietig von der Regentin, die umgehend ihre hausfrauliche Tätigkeit wieder aufnahm und sich der Wäsche zuwandte.
Ludolf, Agnes und Nikolaus Binder saßen wieder auf der kleinen Bank im Garten des ehemaligen Verwalters. Simon war inzwischen nach Hause gelaufen, weil er pünktlich zur Abendmahlzeit zurück sein sollte. Die drei grübelten noch über den Besuch bei Mathilde von Braunschweig.
Nikolaus sagte schließlich: »Sucht lieber nicht weiter bei der gräflichen Familie. Das könnte zu viele Probleme für euch und eure Familien bedeuten.«
Ludolf schlug sich ärgerlich mit der flachen Hand auf den Oberschenkel. »Das gefällt mir alles nicht. Ich habe keine Lust, mich auf den Arm nehmen zu lassen. Auch nicht von irgendwelchen Grafen.«
»Solche Situationen kennen wir doch schon«, ergänzte Agnes. »Bei unserer ersten Suche in Minden hatten wir es mit den Herren von der Schalksburg zu tun. Trotzdem haben wir weitergemacht.«
Der alte Mann versuchte zu vermitteln: »Mir ist das auch unangenehm. Aber wenn der Graf die Sache klug angefangen hat, wird ihm niemand etwas nachweisen können.«
»Leider«, antwortete Ludolf.
»Konzentriert euch lieber auf andere Hinweise oder auf Dinge, die ihr ohne Probleme untersuchen könnt.«
Die jungen Leute schwiegen. Nikolaus Binder war klar, dass sich die beiden nicht so leicht von ihrer Fährte abbringen ließen. Sie waren wie Jagdhunde, die der Spur des Wildes folgten, egal wohin es lief. Auch
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