Die heilige Ketzerin: Historischer Kriminalroman (German Edition)
tiefen Nachdenkens sagte er: »Ich mach’s. Ich komme mit.«
Verbündete gesucht
Agnes und Ludolf wussten noch immer nicht, welche Rolle der Domdekan spielte – ob er seine Finger in einem Machtkampf zwischen Bischof Otto von Minden und Graf Otto von Schauenburg hatte und hier den Sturz des Regenten betrieb oder nicht. Aber sie hofften, dass Johann von Rottorf sie wenigstens bei der Anklage Hartwichs unterstützen würde. Genauso ein Wackelkandidat war der Bürgermeister. Seine Ablehnung gegen die beiden jungen Leute konnte einerseits eine Reaktion auf die Einmischung des Domdekans in Rintelner Angelegenheiten sein oder war andererseits auf Silixens Betreiben zurückzuführen.
Zusammen mit dem Töpfer Brockmann holten Agnes und Ludolf Johann von Rottorf und Johannes vom Domhof ab. Gemeinsam machten sie sich auf den Weg zum Rathaus. Unterwegs tauschten sie hastig die aktuellen Ergebnisse aus.
Ludolfs Vater schaute ganz verwirrt: »Habe ich das jetzt richtig verstanden? Am Nachmittag kommt Ulrich und bittet darum, dass Kunibert kommen soll?«
Agnes nickte eifrig: »Richtig. Aber nur, weil der Priester darum gebeten hatte.«
»Was sollte das? Warum ging Bassenberg nicht am Nachmittag zu Maria? Wisst ihr, wann der Priester wieder weg war? Dann könnten wir den Angriff zeitlich besser einordnen.«
Ludolf zuckte die Schultern. »Nein. Wir sind noch nicht dazu gekommen, ihn zu fragen.«
Agnes ergänzte: »Kunibert kam erst wieder nach Hause, als das Gewitter schon losgebrochen war. Seine Jacke war am nächsten Morgen, als ich nachgeschaut habe, immer noch feucht vom Regen des Vorabends. Vielleicht ist Ulrich der Mörder. Die Magd Jutta sagte ja, dass sie ihn erst während des Gewitters wiedergesehen habe.«
»War seine Kleidung nass?«, fragte Johannes vom Domhof.
Agnes stampfte wütend auf den Boden. »So etwas Blödes. Ich wusste doch, dass ich etwas vergessen habe.«
»Aber das wäre noch kein Grund«, gab Ludolf zu bedenken. »Vielleicht ist er auf dem Weg zwischen Stall und Haus nass geworden. Könnte doch sein? Wer sollte das widerlegen können?«
»Aber was ist, wenn Hartwich abends zurückkam und Kunibert dann angriff?«, gab sie zu bedenken. »Wenn er mit Kunibert wegen des Holzdiebstahls sprechen wollte, nicht wegen Maria. Und morgens hatte er ihn nur verpasst.«
»Warum hat er das nicht draußen im Dunkeln gemacht? Im Gewitter? Zu der Zeit lief bestimmt keiner mehr freiwillig auf den Straßen herum. Niemand hätte den Angriff gesehen, und alle Spuren wären vom Regen weggespült worden.«
»Vielleicht kam Bassenberg ja gerade aus dem Haus der Nachtigals, als er ihn angreifen wollte.«
»Also blieb nur noch ein Angriff in der Wohnung übrig. Was aber auch nicht ohne ist, weil die Nachbarn auf den Kampf hätten aufmerksam werden können und so vielleicht den Mörder noch gesehen hätten.«
Ludolfs Vater warf ein: »Hilfreich wäre es zu wissen, ob der Priester Kunibert noch getroffen hat.«
»Ja, ja«, sagte Agnes ungeduldig. »Aber glaubt ihr wirklich, dass der Pater so auskunftsfreudig ist? Er braucht Maria wegen ihrer Vision, um hier einen Wallfahrtsort aufzubauen. Für ihn ist der Tod Kuniberts doch nur eine Bestätigung seines Eifers. Er wird doch nichts verraten, was uns zum Schluss kommen lässt, Kunibert wäre das eigentliche Ziel gewesen. Er braucht Marias Wundergaben.« Und in Ludolfs Richtung ergänzte sie: »Damit behaupte ich nicht, dass die Visionen nicht göttlichen Ursprungs sind. Bisher hat das noch niemand widerlegen können. Und ich hoffe inständig, dass das auch niemand in Zukunft schaffen wird.«
Ludolf grinste. »Ich habe schon verstanden.« Aber es war ja auch noch nicht aller Tage Abend. So schnell gab er nicht auf.
Je näher die kleine Gruppe dem Rathaus kam, umso lauter wurde es. Allen schwante Schlimmes. Auf dem Marktplatz war nichts zu sehen, nur die Menschen liefen weiter zum Kirchplatz. Aufgeregt eilten die fünf um das Rathaus herum und erblickten eine Ansammlung von Menschen direkt vor St. Nikolai.
Der Bettelmönch stand auf einem Fass und predigte gegen Maria und Pater Bassenberg, doch keiner achtete mehr auf ihn. Die aufgestachelten Leute stritten heftig. Sie beschimpften sich gegenseitig als Ketzer und Ungläubige, als Teufelsanbeter und Verräter. Überall sah man Personen, die sich schubsten oder miteinander rangen. Die Situation war wieder kurz davor, außer Kontrolle zu geraten. Nicht mehr lange, und die Bürger gingen mit Fäusten und Messern
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