Die heimliche Lust
unbesorgt sein können. Etwa im zweiten Jahr hatten wir so nachhaltig die Rollen getauscht, daß ich es selbst kaum mehr für möglich hielt, wie aggressiv ich vorher gewesen war. Irgendwie war ich in diese Position der widerstrebenden Gattin geraten. Er näherte sich mir, als erwarte er eine Zurückweisung, als ob ich Kopfschmerzen oder so etwas haben sollte, irgendwie entschuldigend. Das irritierte mich. Und wissen Sie..., ich hatte dieses Gefühl, daß es ihm so ganz recht war. Daß er meinte, so sollte es sein — die Frau mit den Kopfschmerzen und der Mann, der mehr will. Aber in meinem Herzen war ich es, die mehr wollte; und er war es, der mich gerade deshalb zurückwies. Ich denke, in Wirklichkeit war es so, daß meine ausgeprägte Sexualität einfach zu bedrohlich für ihn war. Deshalb veranstalteten wir dieses ganze Theater von Vorspiegelungen, um es anders aussehen zu lassen. Er konnte sein Image korrigieren, indem er so tat, als sei er derjenige, der Sex wollte; ich korrigierte meines , indem ich vorgab, diejenige zu sein, die sich versagte.
Die dreiunddreißigjährige Sandra hatte dasselbe Gefühl wie Connie, daß ihr Mann ihre Sexualität möglicherweise als bedrohlich empfand:
Ich glaube, Dan wäre schockiert, wenn er wüßte, wie wild ich vor unserer Heirat war. Ich habe es ihm nie erzählt — ich bekenne mich dazu, das alte Spielchen gespielt zu haben: Hm, ja doch, ich hatte schon ein bißchen sexuelle Erfahrung, aber nicht furchtbar viel. In Wirklichkeit war ich ziemlich unersättlich. Als ich heiratete, änderte sich das. Ich wollte zwar Sex, aber ich hatte auch das Gefühl, daß ich mich bremsen sollte, weil dies jetzt etwas anderes war. Das kam nicht gleich am Anfang, dieses Gefühl, »Huch, jetzt ist es anders«, sondern allmählich, mit der Zeit. Ich fing an, mich unbehaglich zu fühlen.
Ich fragte Sandra, ob das Arbeiten an der Ehe ein Mittel zur Bekämpfung der Alltäglichkeit der Ehe sein könnte.
Nein. Nein. Ich mag das an der Ehe, ständig mit jemandem zusammenzusein. Damit habe ich kein Problem. Ich glaube, ich habe mich selbst beschnitten. Ich kann es nicht anders erklären. Ich fing an, etwas von mir selbst zu verlieren, mich selbst zurechtzustutzen; um Zustimmung für mein Verhalten zu bitten, für das ich nie Zustimmung benötigt hatte, für meine Gewohnheiten, mein tägliches Leben. Ich überprüfte mich, begann überlegter einzukaufen, kaufte andere Lebensmittel. Ich begab mich selbst auf den Prüfstand. Er ersuchte mich nicht darum; ich tat das. Ich tat es, selbst wenn ich es nicht tun wollte.
Gelangweilt? Nein. Ich empfand mich selbst als langweilig.
Die Jungverheiratete Maryann und ihr Mann stellten fest, daß sie fast die ganze Zeit ernsthaft »an ihrer Beziehung arbeiteten«.
Wir arbeiteten und arbeiteten und redeten und redeten. Aber wir spürten beide, daß etwas anderes vor sich ging. Es gab keinen Seitensprung zu diesem Zeitpunkt, und es war auch nicht Unzufriedenheit miteinander. Eigentlich konnten wir es nicht recht benennen.
Die vierundsechzigjährige Constance schildert, wie sie es erlebte: Mein Mann merkte, daß ich mich anders benahm und daß etwas nicht in Ordnung war. Seine Reaktion war: »Ich verliere dich, stimmt’s ?« Er wurde wütend, im Grunde hatte er Angst. So lief er mit dem Gefühl herum, »Ich verliere sie«, und ich mit der Vorstellung, »Ich ersticke. Ich werde zerquetscht«. Er gab mir dadurch natürlich nur noch mehr das Gefühl, zu ersticken, und ich gab ihm noch mehr das Gefühl, mich tatsächlich zu verlieren. Also lief ich ihm nach, um ihm zu beweisen, daß er mich nicht verlieren wird, und er lief vor mir davon, um mir zu beweisen, daß er keine Angst hat. Das ist verrückt.
Vergnügen? Fehlanzeige!
Auch die selbstbewußtesten Frauen mit den qualifiziertesten Jobs, die sich, den Soziologen zufolge, eher berechtigt fühlen als andere Frauen, in ihren Beziehungen Ansprüche zu stellen, auch sie sagten, sie fühlten sich unbeholfen, wenn sie in ihrer Ehe Vergnügen einforderten. Sie fürchteten, daß Vergnügen für sie nicht mehr in Frage komme — als ob es nur für unverheiratete Frauen da sei, aber nicht für Ehefrauen. Sie betrachteten die Rolle der Ehefrau als einen unabwendbaren Verzicht auf Vergnügen, wofür sie niemandem die Schuld gaben. Wenn man heirate, gehöre es sich einfach, emotional und sexuell geringere Bedürfnisse zu haben. »Jemand muß die Ehefrau sein, es ist bloß mein Pech, daß es mich treffen mußte«,
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