Die heimliche Lust
sich — irgendwann um den dritten Lunch herum — klargeworden war, daß sie mit ihm schlafen wollte, ertappte sie sich häufig dabei, daß ihr Atem schneller ging und sie unter großer Spannung stand. Und einkaufen ging. »Die Vorstellung, Kleider zu kaufen, die ich tatsächlich tragen würde, vor jemand anderem als Jimmy bei Bergdorfs, verlieh meinen Einkäufen eine ganz neue Dimension: Realität. >Werde vernünftige, sagte ich mir. >Du brauchst kein Kleid für einen Eröffnungsball, du mußt an Lunch im chinesischen Restaurant mit Harry denken .< So bekam ich schließlich sechs oder sieben bezaubernde kleine >Tageskleider< zusammen, wie Jimmy sie nennt, eine Menge Hüte und Handschuhe. Matinee-Kleider, die ihre Mutter tragen würde, Nachmittags-Kleider. Egal, es spielte keine Rolle; Harry fand mich super .«
Paula begann, über ein Faktum ihres Lebens nachzudenken, über Monogamie. Was würde es für sie bedeuten, nach all diesen Jahren damit zu brechen? »Ich meine, das mußte ich ausschließlich mit mir allein austragen. An diesem Punkt ging es gar nicht mehr um George und mich, weil er angesichts unseres Sexuallebens kein Recht hatte, den Anspruch auf Treue an mich zu stellen. Aber mein Bewußtsein von mir selbst war das Bewußtsein der treuen Ehefrau.
>Wer würde ich sein, wenn ich untreu wäre ?< fragte ich mich. Ich bin 50 Jahre alt! Ich bin ein moralischer Mensch! Ich wurde überschwemmt von all dem, was mir Monogamie bedeutete, von alten Gefühlen, alten Überzeugungen, daß dieser eine Mensch, dem du deinen Körper für dein ganzes Leben geschenkt hast, dein sein würde und du sein, und daß ihr füreinander sorgen würdet, körperlich und seelisch. Wie dumm, daß ich meine Monogamie-Erwartungen an George aufgegeben hatte, ohne je die gleichen Erwartungen an mich selbst aufzugeben. Ich fragte mich, wie ich mich fühlen würde, wenn ich dieses Gebot brach — würde ich mir wie ausgesetzt vorkommen? Als ob plötzlich niemand mehr für mich sorgen würde? Würde ich einfach da draußen in der Luft hängen, unversorgt, auf mich gestellt?
Und natürlich hatte ich immer gedacht, eine solche Aufteilung zwischen zwei Männer sei vergleichbar der Koordinierung einer Spielgruppe von Sechsjährigen — wie schafft es eine Frau, mit zwei Männern überhaupt zurechtzukommen, geschweige denn, mit ihnen zu schlafen und sie zu heben und Zeit für sie übrig zu haben? Wie kann sie denken? Was sagt sie zu dem einen — dasselbe, was sie zu dem anderen sagt? Würde ich Harry nachmittags begrüßen und mit ihm über meine Arbeit reden oder über den neuen Fußboden, den ich verlegen lassen will? Oder über die Rechnungen? Ist das, als nehme man einen zweiten Ehemann ?«
7. Die Ermordung von Donna Reed
Wenn eine Beziehung wirklich glücklich ist, meinen viele, würden die Partner nicht zum Ehebruch »getrieben«. Ein weiterer Bestandteil des Volksglaubens ist, daß sich Eheleute draußen nach Sex umsehen, wenn es zu Hause zu wenig davon gibt. Wir haben festgestellt, daß heterosexuelle Paare, die monogam leben, sexuell weder mehr noch weniger aktiv sind als jene, die sich nicht der Ausschließlichkeit verpflichten. Wenn es also nicht die Häufigkeit sexueller Kontakte ist, dann könnte es deren Qualität sein, was die Partner von Seitensprüngen abhält. Auch dies erweist sich als unwahr. Monogame und nichtmonogame Hetero-Paare sind im Schnitt gleichermaßen mit ihrem gemeinsamen Sexualleben zufrieden. Eine weitere Möglichkeit: Partner leben nicht monogam, weil sie in der Beziehung ausgesprochen unglücklich sind. Es gibt keine Beweise für diese Behauptung... Heteros, die fremdgehen, sind in ihrer Beziehung im Schnitt ebenso glücklich wie monogam Lebende. Aber sie sind nicht ebenso überzeugt, daß ihre Beziehung von Dauer sein wird. Diese Tatsachen zeigen uns zwei wichtige Dinge. Erstens: Die wenigsten Heteros werden durch negative Gefühle in ihrer Beziehung zur Untreue getrieben. Zweitens: Für die meisten Heteros bedeutet Nicht-Monogamie ein geringeres Engagement für eine gemeinsame Zukunft. (Pepper Schwartz und Philip Blumstein, American Couples)
Paula, die sich noch an die kostbarsten ihrer traditionellen Werte klammerte, während sie bereits nahe daran war, sie aufzugeben, stellt sich ihrem Dilemma in ähnlicher Weise wie June. Sie ringt mit Fragen, die im Grunde moralische Fragen sind. Begriffe wie »sollen« und »müssen«, die ihr Leben regieren — Worte, nach denen sie gelebt hat, die ein
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