Die heiße Nacht auf den Bahamas
sicher war, dass die Weberei die Produktion schaffte.
"Es gibt einige Dinge, die ich vor der Übergabe klären
muss."
Sie
zog die Hand zurück. "Du hast dir die Sache doch nicht
anders überlegt, oder?" wollte sie wissen.
Anders
überlegt? War es möglich, dass sie ihm noch immer nicht
traute? Er stützte sich auf einem Arm ab. "Nein, ich
verkaufe euch den Betrieb. Aber das ist trotzdem kompliziert."
Er beugte sich vor. "Ich will nicht, dass ihr scheitert."
"Du
brauchst dir keine Sorgen zu machen", sagte sie. "Wir
bieten unsere Häuser als Sicherheit, erinnerst du dich?"
"Der
Gedanke, dass ich eure Häuser zwangsversteigern lassen kann,
soll mich also beruhigen? Dass ich eigentlich eine ganze Stadt
besitze?"
Sie
zögerte, und er sah Besorgnis in ihrer Miene. "Du wirst
dein Geld schon bekommen", erklärte sie dann, als sei das
sicher. Er bemerkte den enttäuschten Ausdruck in ihren Augen.
Doch
Cassie irrte sich. Es ging nicht um Geld. Zumindest diesmal nicht.
Aber das sagte er ihr nicht. Er musste beweisen, dass er ehrlich war.
Er wollte, dass sie ihm vertraute.
Er
küsste sie auf die Schulter. "Zieh dich an", sagte er
gelassen. "Wir haben noch Arbeit zu erledigen."
Cassie
stand in der Weberei und sah sich um. Der Flug nach Shanville hatte
drei Stunden gedauert, doch sie hatte das Gefühl, in einer
anderen Welt gelandet zu sein. Die gepflegte Eleganz von Hunters
Umgebung auf den Bahamas war hier nirgends zu entdecken. Stattdessen
hatte Cassie das Gefühl, in der Zeit zurückgereist zu sein.
Schwere Maschinen aus der viktorianischen Epoche standen dicht
nebeneinander in einem großen Saal. Cassie schloss die Augen
und lauschte dem vertrauten Geräusch von hölzernen Laden,
die Seidenfäden zusammenschoben. Ihre Großmutter hatte
diese Geräusche als so harmonisch empfunden, dass sie einst als
Kind ein Gedicht darüber geschrieben hatte.
Um
sich herum sah Cassie lauter befreundete Frauen, die sie schon ihr
ganzes Leben lang kannte. Sie arbeiteten mit den klappernden
Webstühlen, ließen ihre flinken Finger über straff
gespannte Schnüre und gusseiserne Schwungräder gleiten.
Cassie
hatte ihren Kolleginnen und Kollegen erzählt, dass ihr Angebot
angenommen worden war. Doch statt lautem Jubel herrschte Ruhe. Jeder
wusste, dass man vielleicht eine Schlacht gewonnen hatte, aber das
bedeutete nicht, man würde auch den Krieg gewinnen.
Jemand
berührte ihren Arm. "Du hast deine Sache gut gemacht",
erklärte Luanne. "Wir sind dir alle sehr dankbar."
"Luanne
hat Recht", sagte Ruby. "Du allein hast unseren Betrieb
gerettet. Deine Großmutter wäre stolz auf dich."
"Sie
wäre auch froh, dass du mit Oliver fertig bist, nach dem, was er
uns allen angetan hat", fügte Luanne hinzu."
"Wir
haben den Betrieb zurück. Die Vergangenheit ist vorbei",
erwiderte Cassie.
"Aber
wir haben nicht das Patent", sagte Luanne.
"Nein",
stimmte Cassie zu. Das würde auch nie der Fall sein. Hunter
mochte der Weberei einen Kredit gewähren, doch das Patent war zu
wertvoll. Er würde es ihnen niemals für die Summe
verkaufen, die sie ihm bieten konnten.
Luanne
seufzte und zuckte mit den Schultern. "Ich schätze, Oliver
hat getan, was er tun musste. Man kann einen Mann nicht dafür
verdammen, dass er Geld verdienen will."
"Warum
nicht?" meinte Priscilla. Auch sie arbeitete schon bei Demion
Mills, seit sie erwachsen war. "Warum kann man ihn nicht
verdammen?"
Cassie
verstand ihren Ärger. Aber sie empfand nichts mehr für
Oliver, weder Liebe noch Wut. Sie dachte nur noch an Hunter –
was er gesagt hatte, was er getan hatte, wie er sie berührt
hatte. Wie sie sich geküsst hatten. Sie hatte das Gefühl,
nicht nur ihr Körper, sondern auch ihr Geist gehörte ihm,
und das bereitete ihr Sorgen.
Irgendwie
wünschte sie sogar, sie hätte den Mann hinter der Fassade
niemals kennen gelernt und nie von dem armen Jungen erfahren, der
gelernt hatte, dass Geld ein Mittel zum Überleben war. Am
liebsten hätte sie nie etwas über den Tod seiner Großmutter
gehört und das grausame Verhalten der Frau, die er geliebt
hatte.
Doch
zu verstehen, wie aus ihm ein Mann geworden war, der sein Geld mit
Firmenübernahmen verdiente, bedeutete nicht, dass sie das auch
akzeptierte. Seine Motive konnten weder verherrlicht noch
entschuldigt werden.
Sie
wusste, es war sinnlos zu glauben, sie könnte ihn vielleicht
umstimmen.
Oder?
Immerhin
war es offensichtlich, dass er ihr helfen wollte. Und das war doch
sehr löblich.
In
Wahrheit wollte Cassie ihm gern
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