Die heiße Nacht auf den Bahamas
darauf sagen? Willa hatte Recht. Früher hatte ihn das
nie wirklich interessiert. Aber nun war das der Fall. Die Bewohner
von Shanville waren nicht länger unbekannte Arbeiter aus
irgendeiner Kleinstadt. "Statt nach China zu fliegen, kehren Sie
auf die Bahamas zurück."
"Hunter,
bitte. Das ist alles das Werk dieser Fabrikarbeiterin."
Er
brauchte nicht fragen, wen sie meinte. Sein Nacken versteifte sich
etwas. Wie konnte Willa es wagen, in diesem snobistischen Ton von
Cassie zu reden? "Sie ist keine Fabrikarbeiterin", erklärte
er. "Sie ist eine Weberin, die ihren Betrieb zu retten
versucht."
"Das
hat nichts mit Rettung zu tun. Hier geht es nur um Rache. Schlicht
und ergreifend."
"Rache?"
Willa
schwieg einen Augenblick, bevor sie fragte: "Sie wissen das
nicht?"
"Was
denn?"
"Cassie
und Oliver waren verlobt."
Hunter
runzelte die Stirn. Das war nicht möglich. Cassie und Oliver?
Der Mann, von dem er den Textilbetrieb gekauft hatte? Der Mann, der
Willa wie ein gehorsames Hündchen überallhin folgte?
"Oliver Demion?" hörte Hunter sich sagen.
"Offenbar
liebt sie ihn, seit sie ein Kind war. Aber er erwiderte diese Liebe
nie wirklich. Er verlobte sich mit ihr, weil er sich verpflichtet
fühlte. Sie waren zusammen, seit sie Kinder waren."
Hunter
schwieg. Warum hatte Cassie ihm nicht erzählt, dass Oliver ihr
Verlobter gewesen war?
"Sobald
Oliver mich kennen lernte, wurde ihm klar, er müsse mit Cassie
brechen. Sie war am Boden zerstört." Willa seufzte. "Armer
Oliver. Er fühlte sich richtig schuldig." Sie zuckte die
Achseln. "Seit Cassie Rache geschworen hat, hat er jedenfalls
keine Schuldgefühle mehr."
Hunter
wollte nicht glauben, was er da hörte. Das konnte nicht stimmen.
Cassie wollte sich rächen?
"Oliver
hat vorausgesehen, dass sie ein Auge auf Sie werfen würde. Aber
ich habe ihr vertraut. Ich hätte außerdem nie gedacht,
dass Sie sich in sie verlieben, und ganz bestimmt hätte ich
niemals geglaubt, sie könnte Sie überreden, den Betrieb
wieder zu verkaufen."
Das
reichte. Hunter hatte genug gehört.
"Ich
habe keine Zeit für unnützes Gerede, Willa, und Sie auch
nicht." Mit diesen Worten verließ er den Raum. Er ging den
Flur entlang zu seinem Büro. Hatte er Cassie falsch
eingeschätzt? Hatte sie ihm die ganze Zeit etwas vorgemacht,
bloß um zu bekommen, was sie wollte?
War
er für sie nur ein Mittel zum Zweck gewesen?
Das
war schließlich schon früher passiert. Er hatte gedacht,
er würde die Frau kennen, mit der er auf dem College gewesen
war. Jeder hatte gesehen, wie sie wirklich war, außer ihm, denn
er war blind vor Liebe gewesen.
Er
hatte sich geschworen, dass würde nie wieder passieren. Damals
war er schließlich noch fast ein Junge gewesen. Seither war er
mit vielen Frauen zusammen gewesen, und eigentlich hatte er gedacht,
er könnte die schlechten von den guten unterscheiden. Er hatte
gedacht, er würde einen Diamanten erkennen und ihn nicht mit
einem Kieselstein verwechseln.
Aber
möglicherweise hatte er sich überschätzt. Vielleicht
hatte Willa Recht. Vielleicht benutzte Cassie ihn nur, um ihre alte
Liebe zurückzugewinnen.
Spielte
das eine Rolle?
Ja,
das tat es, verflixt noch mal.
Hunter
spürte förmlich, wie er sich verschloss und sein Herz
verhärtete. Er hatte zu rasch zu viel gegeben. Nun blieb ihm
nichts anderes übrig, als die Rechnung zu bezahlen.
Doch
er machte sich zu viel aus Cassie, um einfach abzureisen und sie mit
einem alten Betrieb allein zu lassen, der zum Scheitern verurteilt
war. Nein, er würde anständig sein. Er würde Cassie
den Betrieb und das Patent überlassen.
Aber
dann war er mit ihr fertig. Die Beziehung mit Cassie würde sich
dann aufs Geschäftliche beschränken.
Falls
sie auf Rache aus war, würde sie das ohne seine Hilfe
bewerkstelligen müssen.
12.
Kapitel
Cassie
betrachtete das Telefon. Es war schon fast neun Uhr abends, und
Hunter hatte immer noch nicht angerufen. Je später es wurde,
desto klarer war, dass er auch nicht die Absicht hatte, sich zu
melden.
Was
bedeutete das? War er einfach nur beschäftigt? Oder, dachte
Cassie ein wenig mutlos, ist er in Bezug auf die Weberei zu einer
Entscheidung gelangt, von der er weiß, dass sie mir nicht
gefallen wird?
Doch
welche Entscheidung Hunter auch getroffen hatte, wenigstens hatte er
ihr versprochen, ihr den Betrieb zu verkaufen. Sie glaubte ihm. Er
würde sein Wort nicht brechen.
Weshalb
rief er dann nur nicht an?
Cassie
hatte gehört, Hunter würde am nächsten Tag abreisen
und
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