Die heldenhaften Jahre der Kirschkernspuckerbande: Roman (German Edition)
Wohnste auch hier?«
Petra atmete tief durch. Dieser Schlurfi war keine Gefahr. Er war einer der dubiosen Typen, die ihre Kinder um sich scharten. Ein neuer Mitbewohner offenbar. Doch auch wenn die Angst verschwunden war – die körperliche Reaktion auf den Schreck hatte sich noch nicht gelegt. Immer noch pochte ihr Herz bis in die Schläfen. Und ihr war übel. Wieder krampfte sich ihr Magen zusammen.
»Ich bin Petra. Lucys und Florians Mutter«, sagte sie mit gepresster Stimme.
»Cool«, sagte der junge Mann.
Petra schaute ihn erwartungsvoll an.
Er grinste etwas ratlos.
»Hast du auch einen Namen?«, fragte Petra, als klar war, dass er nicht von selbst auf die Idee kommen würde, mit dieser Information herauszurücken.
»Adolf«, sagte er.
Petra starrte ihn fassungslos an.
»Ja, ich weiß«, seufzte er. »Hitler. Scheiße. Aber ich komme aus einer sehr traditionsbewussten Familie. Schwerreich alle.« Er kratzte sich langsam und ungelenk in seinem fusseligen Zehntagebart. »In unserer Familie bekommt jeder Erstgeborene den Vornamen seines Großvaters väterlicherseits. Machen die schon seit hundertfünfzig Jahren so«, fuhr er fort. »›Ich lass mir von keinem dahergelaufenen Diktator die Familientradition kaputt machen‹, hat mein Vater gesagt.«
»Beileid«, sagte Petra.
Adolf zuckte mit den Schultern: »Hab schon mal überlegt, ob ich meinen Namen ändere. Aber das ist voll viel Aufwand.«
»Du könntest deinen Namen doch auch einfach für dich behalten, wenn dich jemand fragt«, schlug Petra vor. »Denk dir einfach einen aus, der dir gefällt. Muss ja nicht in deinem Ausweis stehen.«
Adolf schaute Petra an, als hätte sie einen Geistesblitz gehabt, der eines Nobelpreisträgers würdig war. »Wow«, sagte er.
Petra spürte einen erneuten Krampf. Ihr Magen zog sich schmerzhaft zusammen. Sie krümmte sich.
»Schwanger, ne?«, kombinierte Adolf der Geistesriese und wies auf ihren monströsen Bauch.
Petra verzichtete auf eine Antwort. Sie krümmte sich erneut. Die Stiche waren unglaublich. Das waren keine normalen Magenkrämpfe.
»Oh«, sagte Adolf und riss seine Augen auf. Er starrte auf den Boden. »Nich gut.«
Petra schaute ebenfalls nach unten. »Fruchtwasser!«, rief sie.
Adolf überlegte, dann stammelte er: »Äh. Ich weiß gar nicht, ob wir welches dahaben. ’Ne Schorle oder so was?«
»Kein Fruchtsaft!«, schrie Petra. »Meine Fruchtblase ist geplatzt! Ich habe Wehen! Ich … Aaaah!« Petras Knie knickten zusammen, und sie sackte zu Boden.
»Ach, du Scheiße«, fand Adolf.
»Ruf einen Krankenwagen!«, schrie Petra, während sich ihr Unterleib brutal zusammenzog. Das waren keine normalen Wehen! Das war etwas anderes! Das war ein Notfall!
»Wir haben kein Telefon«, stammelte Adolf.
»Natürlich habt ihr ein Telefon. Ich hab doch schon hier angerufen!«, keuchte Petra.
»Abgeschaltet. Rechnung nicht bezahlt«, jammerte Adolf.
»Dann … klingle bei den … argh … Nachbarn!«
Musste man diesem Volltrottel denn alles erklären?
Adolf trabte los, öffnete die Wohnungstür und rannte in den Flur. Hinter ihm fiel die Tür ins Schloss.
Petra schrie. Es waren unglaubliche Schmerzen. Von innen drückte es mit solcher Macht, dass es kaum auszuhalten war.
Nicht pressen!, zwang sich Petra. Doch das war leichter gesagt als getan.
Als die Wehe abebbte, nutzte sie die kurze Phase relativer Schmerzfreiheit, um sich so schnell wie möglich die Hose und den Slip auszuziehen. Mit nacktem Unterkörper lag sie auf dem Boden des Flurs.
Wo blieb dieser Idiot?
Und schon setzte die nächste Wehe ein. Das Kind wollte kommen. Mit aller Macht. Und einen Monat zu früh. Petra versuchte verzweifelt, nicht zu pressen. Und dann klingelte es an der Tür. Petra schrie auf.
»Ich bin’s«, wimmerte Adolf durch die verschlossene Tür. »Ich hab keinen Schlüssel.«
Petra schrie.
»Kannste mal aufmachen, ey?«, bat Adolf.
»Du Vollidiot!«, kreischte Petra.
Die Wehe ließ nach, und Petra kroch auf dem Boden bis zur Wohnungstür. Sie richtete sich mühsam ein Stück auf, erreichte die Türklinke, drückte sie herunter, und Adolf öffnete die Tür. Er schaute zu ihr hinunter und schluckte.
»Ist das der Kopf?«, fragte er.
Petra sah entsetzt an sich herunter. Oh, Gott! Da war Blut. Da war Schleim. Und da war der Kopf ihres Kindes.
»Hilf mir!«, schrie sie Adolf an.
»Äh«, stammelte Adolf, kam dann aber immerhin auf die Idee, schnell ein paar Kissen aus Lucys Zimmer zu holen und es Petra auf dem
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