Die heldenhaften Jahre der Kirschkernspuckerbande: Roman (German Edition)
oder was?!«
»Deine Alte?! «, zischte Petra.
»Ups. Tschuldigung«, sagte Dille, und für einen kurzen Moment sah er aus wie ein kleiner Junge, den man dabei ertappt, wie er sich nach dem Zähneputzen noch ein Stück Schokolade mopst und in den Mund steckt. Und wie vorhin bei der Feier musste sich Petra erneut eingestehen, dass sie den blöden kleinen Jungen in Dille auch liebte. Irgendwie. Er war ein nerviger Schlingel, der sich jeder Erziehungsmaßnahme entzog – aber sie liebte ihn.
»Und was ist jetzt?«, knurrte Dille. »Jetzt schmeißt du alles weg. Alles, was wir waren, alles, was wir sind?«
Petra begann zu weinen. »Ich weiß es nicht«, flüsterte sie.
Petra und Dille schauten einander lange an.
»Es tut mir leid«, sagte Dille und nahm Petras Hand. Ganz sanft und vorsichtig. »Wirklich.«
»Mir auch«, sagte Petra leise.
Der Krankenwagen raste mit heulenden Sirenen am Schlafzimmerfenster von Petra und Dille vorbei. Die beiden lagen angezogen auf dem Bett. Von Stunden des Streits und Geschreis waren sie erschöpft eingeschlafen. Händehaltend. Im Wohnzimmer summte Petras Handy.
Entgangener Anruf: Jörn.
* * *
14 Uhr. Planten un Blomen. Die Parkanlage war erstaunlich voll für einen Wintertag. Zahlreiche Leute gingen offenbar spazieren, um die vollen Bäuche der Feiertage und die dicken Köpfe der gestrigen Silvesterfeier zu bekämpfen.
Jörn stand bereits an der verabredeten Stelle neben der alten Eisbahn, als Petra um die Ecke kam.
Als er sie entdeckte, rannte er auf sie zu und umarmte sie innig. Er küsste sie. »Endlich! Warum bist du denn nie rangegangen?! Ich hab dich bestimmt ein Dutzend Mal angerufen!«
»Es ging nicht«, sagte Petra.
»Und? Wie hat Dille es aufgenommen? War es schlimm?«, fragte Jörn aufgeregt.
Petra schaute ihn an. Und dann, ganz langsam, kaum merklich, schüttelte sie den Kopf.
Jörn starrte sie an.
»Du hättest das nicht tun dürfen«, sagte sie.
Jörn starrte immer noch. Fassungslos. Ein erstes Begreifen setzte ein …
» Wir hätten das nicht tun dürfen«, sagte Petra.
»Nein«, flüsterte Jörn, als er endgültig verstand. »Bitte nicht.«
»Es geht nicht«, sagte Petra. »Es war wundervoll, trotz der Lügen und des schlechten Gewissens. Und ich hab dich geliebt. Nein, ich liebe dich. Aber es geht nicht.«
Mit Entsetzen sah Petra, dass sich Jörns Augen mit Tränen füllten. »Bitte nicht«, stöhnte sie. »Wenn du jetzt weinst, muss ich auch weinen.«
»Er weiß dich doch gar nicht zu schätzen«, sagte Jörn.
»Vielleicht«, sagte Petra. »Aber ich kann nicht gehen. Und ich will nicht gehen.«
»Das macht doch gar keinen Sinn«, sagte Jörn. »Ich … ich hab Sven gesagt, dass wir uns eine Wohnung suchen.«
»Das war genauso bescheuert, wie auf einer Party einfach so unsere … Sache herauszuposaunen, ohne mich vorher zu fragen.«
»Ich dachte, es wäre romantisch. Und leidenschaftlich«, flüsterte Jörn.
»Du guckst zu viele von diesen alten Schwarzweißfilmen«, sagte Petra und legte Jörn den Arm um die Schulter, wie es Väter bei ihren Kindern taten. Eine Komm-schon-Kumpel-alles-wird-gut-Geste. Petra spielte die Starke, obwohl sie sich selbst elend fühlte.
Jörn zog ein Taschentuch aus der Manteltasche und schneuzte sich die Nase.
»Dille hat gesagt, ich darf dich nie wieder sehen. Er will nicht, dass wir uns je wieder treffen«, erklärte Petra.
»Was?«, stöhnte Jörn.
»Aber ich hab ihm gesagt, er kann mich mal. Ich sehe dich und treffe dich, so oft ich will. Du bist mein Freund, und ich liebe dich, und ich will, dass das so bleibt. Ich will, dass sich nichts ändert. Außer, na ja …«
Jörn seufzte. »Oh, Gott. Bitte nicht die Lass-uns-Freunde-bleiben-Nummer.«
»Das ist keine Nummer. Das ist mein voller Ernst!«, verkündete Petra streng. »Ich will dich in meinem Leben haben. Du bist mir wichtig!«
Jörn meisterte ein zaghaftes, wenn auch trauriges Lächeln. »Es ist Verschwendung«, sagte er schließlich und löste sich aus Petras Umarmung. »Du und Dille. Er hat dich nicht verdient. Du bist first class, und er ist bloß ein emotionaler Pauschaltourist.«
»Dille und ich sind seit dreißig Jahren zusammen«, sagte Petra. »Er hat das Recht auf ein paar Bonusmeilen.«
2006–2009
A ls ich ein Kind war, glaubte ich an den Weihnachtsmann, hielt die Barbapapas für die lustigsten Wesen der Welt und war fest davon überzeugt, dass es einen Punkt im Leben gibt, an dem mir alles klar werden, an dem ich keine Fragen mehr
Weitere Kostenlose Bücher