Die heldenhaften Jahre der Kirschkernspuckerbande: Roman (German Edition)
lange Rede, kurzer Sinn: Wir gehen mit Frau Holzbergs … mit Ihrer Figur in Serie. Jedes Jahr ein Fall! Das heißt, wir kaufen die Rechte an all Ihren Büchern und optionieren auch die Nachfolgebände. Wahnsinn, oder? Haben Sie schon eine neue Story in Arbeit?«
Ich war fassungslos und musste erst einmal verdauen, was ich da eben gehört hatte. Frau Löblichs Botschaft bedeutete a) viel Geld für mich und b) einmal im Jahr ein qualvolles Martyrium, wenn ich mir anschauen musste, wie meine Geschichten geschunden wurden. Andererseits: Wirklich am Herzen lagen mir meine Krimis ja sowieso nicht. Die Hoffnung, etwas schreiben zu können, was mir wirklich etwas bedeutete, hatte ich inzwischen begraben. Da konnte ich genauso gut mit meinem Krimikram so viel Geld wie möglich abgreifen. Für Rente war ich schließlich noch zu jung.
»Herr Lehmann?«, kiekste Frau Löblich.
Offenbar war ihr Wortschwall beendet, und ich hatte zu reagieren. »Äh … toll«, sagte ich.
Das schien ihr zu reichen. »Super!«, rief sie. »Wir melden uns dann wegen des Vertrags und so … Also, Herr Lehmann. Bis bald.«
»Äh …«, warf ich ein. »Frau Löblich? Besteht die Chance, dass ich selbst das Drehbuch …?«
»Nein«, kam es wie aus der Pistole geschossen. »Dafür haben wir Profis. Tut mir leid. Also, bis bald, tschüss!«
Und weg war sie.
Ich schluckte.
Da klingelte das Telefon schon wieder. Es war Sven. Sven lebte seit einem halben Jahr in Düsseldorf, wo er ein Engagement am Schauspielhaus hatte. Seitdem hatten wir kaum noch Kontakt.
»Hey«, meldete sich mein alter Freund. »Geht’s gut?«
»Ich mache gerade Fernsehkarriere«, murmelte ich noch halb unter Schock.
»Toll«, sagte Sven. »Du, tut mir leid, dass ich so kurz angebunden bin, wir haben gleich Probe, ich wollte nur … Jörn hat mich angerufen. Das sind ja sehr verstörende Nachrichten. Und ich wollte nur wissen … also … Jörn klang ziemlich fertig. Wie geht es ihm? Seid ihr für ihn da? Ich hab in zwei Wochen Premiere, ich komme hier nicht weg, aber ich sorge mich, ob er … das ist ja wirklich total übel.«
»Nee, alles okay«, beruhigte ich Sven. »Ist zwar schrecklich, aber auch keine Totalkatastrophe. Peggy und er kommen schon damit klar.«
»Keine Totalkatastrophe?«, wunderte sich Sven.
»Na, ich will nicht unsensibel klingen«, sagte ich. »aber die Verbindung war ja jetzt nicht so wahnsinnig eng, und Peggy wird schon lernen, damit umzugehen.«
Auf der anderen Seite war es still.
»Sven?«, fragte ich.
»Was redest du denn da für einen Scheiß?«, fragte er wütend.
»Wie bitte?«, wunderte ich mich.
»Die beiden lieben sich! Das ist sehr wohl eine Totalkatastrophe!«, rief Sven. »Ich weiß gar nicht, für wen von den beiden es schlimmer ist!«
»Hä?« Ich kapierte gar nichts mehr. »Wovon redest du?«
»Wovon redest du? «, rief Sven. »Ich rede davon, dass sie ihm Peggy wegnehmen!«
»Was?!«
»Oh, du weißt es noch gar nicht?«, begriff Sven.
»Sie … wollen ihm Peggy wegnehmen?«, stammelte ich. »Wieso?«
In diesem Moment bemerkte ich Nele, die mich entsetzt anstarrte.
»Irgendwelche Vorschriften«, sagte Sven. »Weil sie jetzt Waise ist. Sie haben Jörn vorhin angerufen. So ganz verstanden habe ich es nicht.«
»Ich muss Jörn anrufen«, sagte ich. »Ich muss hören, was los ist. Ich rufe dich an.«
»Bitte melde dich. Halt mich auf dem Laufenden, ja?«, bat Sven aufrichtig besorgt.
»Ja, klar. Bis dann«, sagte ich und legte auf.
Nele starrte mich immer noch schockiert und fragend an. Ich nickte zaghaft, um ihr zu signalisieren, dass sie richtig gehört hatte.
Sie griff nach ihrer Jacke und zog sie an. »Komm!«, sagte sie.
Ich nickte und folgte ihr.
* * *
Als wir bei Jörn eintrafen, war Petra schon da. Jörn war über seinen Schatten gesprungen und hatte sie angerufen. Er brauchte sie jetzt. Sie war sofort gekommen. Dille war mit Adrian zu Hause geblieben.
Nele und ich hatten auf der Fahrt zu Jörn Susann eine SMS geschickt. Sie hatte noch einen Nachmittagskurs, würde aber nach Schulschluss auch gleich zu Jörn fahren.
Nele zog sich mit Peggy in deren Zimmer zurück, und Jörn erklärte mir den Sachverhalt. Die Sache war so simpel wie bizarr: Sowie ein Pflegekind Waise wird, muss »der Fall« neu evaluiert werden. Oberstes Ziel war es nun, Adoptiveltern für das Kind zu finden. Das war bei einem zehnjährigen Mädchen, das psychische Probleme hatte, nicht leicht. Die meisten Leute wollten natürlich Babys.
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