Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler
zusammengerolltes Dokument. Ein feines Lächeln zog sich über das Gesicht des Unbekannten, während er den Zettel entfaltete und darin las.
Ein Versteck für Nachrichten!, durchfuhr es Magdalena. Mämminger hinterlässt im Dom Botschaften für seinen Meuchelmörder!
Sie erinnerte sich daran, wie ungehalten der Kämmerer gewesen war, weil ihn der Fremde um ein Gespräch im Garten des Venezianers gebeten hatte. Was hatte Mämminger damals noch mal gesagt?
Was ist so dringend, dass wir nicht auf dem üblichen Weg miteinander sprechen können?
Dies hier war der übliche Weg! Ein geniales Versteck. So würde keiner den honorigen Regensburger Stadtkämmerer mit irgendwelchen finsteren Gesellen in Verbindung bringen. Vermutlich konnte man in der dunklen Nische sogar tagsüber unbemerkt Botschaften austauschen.
Vielleicht würde der Unbekannte nun selbst einen Brief verfassen und in die Röhre stecken. Dann könnten Simon und sie in aller Ruhe …
Etwas schreckte sie aus ihren Gedanken. Zuerst konnte sie nicht einordnen, was es war. Doch dann wurde ihr klar, dass es ein leises Geräusch gewesen sein musste – mehr eine Ahnung als ein Laut, doch der Fremde schien es ebenso gehört zu haben. Wieder drehte er seinen monströsen, haarlosen Kopf wie eine Schlange in sämtliche Richtungen. Als er nichts Verdächtiges bemerkte, hielt er den Zettel über eine Altarkerze und verbrannte ihn. Eine blaue Flamme stieg kurz in die Höhe, dann war die geheime Nachricht nur noch Asche.
Plötzlich packte Simon Magdalena hart an der Schulter. Erschrocken fuhr sie herum und sah, wie der Medicus hektisch auf einen Schatten deutete, der sich an der Wand desDoms abzeichnete. Es war der ins Gigantische vergrößerte Schemen einer Gestalt, die von Säule zu Säule huschte. Als die Gestalt die Lichtkegel der Altarkerzen verlassen hatte, verschwand der Schatten so plötzlich, wie er gekommen war. Simon und Magdalena brauchten einige Zeit, doch schließlich fanden ihre Blicke einen Mann, der mit gezogenem Degen hinter den Kirchenbänken lauerte. Er war weitaus kleiner, als der Schatten es hatte vermuten lassen.
Nur wenige Schritte von ihnen entfernt stand kein anderer als Silvio Contarini.
Die Fahrt mit dem Schinderkarren durch die Gassen der Stadt zog sich schier endlos. Immer wieder hielt der Regensburger Scharfrichter an, um weiteren Mist, tote Ratten und Haufen von Unrat auf seinen Karren zu schaufeln. Zwar war es den Regensburgern verboten, nach Sonnenuntergang noch auf der Straße zu sein, doch beim Henker machte man offenbar eine Ausnahme. Die wenigen Nachtwächter, denen sie begegneten, blickten zur Seite und schlugen ein Kreuz, wenn der Wagen endlich an ihnen vorbeigerumpelt war. Es brachte Unglück, dem Henker ins Angesicht zu schauen, noch dazu nachts, wenn die verdammten Seelen der Hingerichteten mit dem Scharfrichter um die Häuser zogen.
Endlich hatten sie ihr Ziel erreicht. Jakob Kuisl hob mühsam den Kopf und erkannte ein festungsartiges Gebäude, das aus drei Türmen bestand, die so zueinanderstanden, dass sie in der Mitte einen Hof bildeten. Im Gegensatz zu den umstehenden Häusern brannte in den Fenstern des rechten Turms noch Licht. Jakob Kuisl hörte entfernt das Gelächter von Frauen.
»Der Petersturm«, zischte Philipp Teuber. »Die Stadtwachehat hier eine Garnison mit einem Dutzend Soldaten einquartiert.« Er zwinkerte den Henker an. »Wenn du jemand verstecken willst, dann mach es am besten dort, wo der Feind am wenigsten damit rechnet. Altes Söldnersprichwort. Wart hier, ich bin gleich zurück.«
Kuisl sah, wie Philipp Teuber sich dem rechten Torturm näherte und dort gegen die Tür schlug. Kurz zuckte der Schongauer Henker zusammen. Wollte Teuber ihn vielleicht den Soldaten ausliefern? Hatte er nicht selbst eben gesagt, dass hier im Peterstor eine Garnison untergebracht war? Und jetzt klopfte dieses Rindvieh an der Höhle des Löwen!
Doch dann sah er in der geöffneten Tür eine Frau in einem grellbunten Kleid. Auf ihrem Kopf saß schief eine rotgelbe Kappe, wie sie Jakob Kuisl von den Landknechtshuren her kannte. Er schätzte sie auf ungefähr fünfzig Jahre, auch wenn die breiten Hüften und der volle Busen sie merklich jünger aussehen ließen. Trotz ihrer Beleibtheit und den fast ergrauten Haaren wirkte sie auf eine seltsame Weise attraktiv. Kuisl vermutete, dass sie vor langer Zeit umwerfend schön gewesen sein musste.
Die Frau führte ein kurzes Gespräch mit dem Regensburger Scharfrichter, dann fiel
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