Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler
eines Henkers sein, ich bin ehrlosund schmutzig und karr den Dreck aus der Stadt, aber ich bin keine Hure. Merkt Euch das, Ihr schwindsüchtiger, welscher Venezianer!«
Sie stand auf und stolzierte mit wehenden Haaren zum Ausgang. Als sie die Tür bereits geöffnet hatte, drehte sie sich noch einmal um und sah ihn mit funkelnden Augen an.
»Ihr trinkt dreimal täglich ein Glas von dem Sud, verstanden? Und den Verband, den lasst Ihr Euch spätestens morgen von einer Eurer Mätressen wechseln. Ich hoff, es tut sauber weh, wenn sie ihn Euch vom Leib reißt. Gute Besserung.«
Sie schlug die Tür zu und ließ Silvio allein zurück, der mit offenem Mund auf sein verdutztes Gesicht im Spiegel starrte.
Mit wehender brauner Kutte eilte der Franziskanermönch voraus, so dass Simon Mühe hatte, ihm zu folgen. Nur gelegentlich blieb Pater Hubertus stehen, um einen Schluck aus dem Weinschlauch zu nehmen und dem Medicus seine neuesten philosophischen Überlegungen mitzuteilen.
»Natürlich hat Wilhelm von Ockham recht gehabt mit seiner Behauptung, Jesus und seine Jünger hätten kein Eigentum besessen!«, schnaufte er und wischte sich den Rotwein von den Lippen. »Aber bedenkt, was das für die Kirche bedeutet hätte! Wenn der Hirte kein Geld besitzt, dann gilt das auch für seine Schafe. Der ganze Pomp wäre nichts anderes als Ketzerei!« Er deutete auf die prunkvollen Fassaden des Bischofshofes, dem sie sich mittlerweile genähert hatten. Direkt neben dem Regensburger Dom gelegen stellte er ein eigenes kleines Reich dar, abgeschottet mit hohen Mauern gegen Stadt, Kaiser und Kurfürst.
»Aber hat die Kirche nicht auch viel Schönes geschaffenmit ihrem Geld?«, keuchte Simon und versuchte, neben dem fetten Mönch Schritt zu halten.
Pater Hubertus winkte ab. »Ein Haufen Bilder mit Goldrahmen, die in den Archiven der Klöster verstauben. Prunkvolle Altäre und Statuen, die ihren Betrachter erschlagen. Ich für meinen Teil bin lieber draußen bei den einfachen Leuten. Gott wohnt auch im Dirnenhaus! Aber sagt das mal dem Bischof. Na ja, wenigstens kann man mit ihm streiten, ohne dass er einen gleich verbrennt.«
Der Franziskaner schritt auf einen gewaltigen Torbogen zu, der von zwei bischöflichen, mit Hellebarden bewaffneten Soldaten flankiert wurde. Ungeduldig sah sich der Mönch nach Simon um, der zögernd vor dem Eingang stand.
»Was ist?«, fragte Hubertus. »Ihr werdet doch kein Frühstück mit frisch gebrühten Würsten und einem kühlen Humpen Bier ausschlagen?«
Simons Magen knurrte vernehmlich. Ihm fiel ein, dass seine letzte Mahlzeit schon eine gewisse Weile zurücklag. Also ging er zögernd dem Franziskanermönch hinterher. Was hatte er schon zu verlieren? Vermutlich amüsierte sich Magdalena gerade mit diesem kleinen Gecken, da konnte er ja wenigstens im Bischofshof dinieren. Die Gefahr, erkannt zu werden, war im Beisein des Franziskaners eher gering. Außerdem war Simon neugierig, welchen Posten Hubertus bekleidete. Der dicke Pfaffe schien in der Stadt jedenfalls kein Unbekannter zu sein.
Die Wachen nickten Pater Hubertus zu und ließen sie beide passieren. Grinsend erwiderte der Franziskaner den Gruß.
»Ab jetzt sind wir immerhin vor den Stadtknechten in Sicherheit«, sagte er verschwörerisch. »Das hier ist das Gebiet des Bischofs. Mit eigenem Gericht und Gefängnis. DieseDrecksbande von Nachtwächtern hat hier nichts zu melden.«
»Tatsächlich?« Ein feines, fast unmerkliches Lächeln zog sich über Simons Gesicht. Sein Besuch im Bischofshof bekam plötzlich eine ganz neue Wendung. »Und wenn ein … sagen wir, Dieb oder Brandstifter hier Zuflucht sucht?«, fragte er vorsichtig nach.
»Dann gewährt ihm der Bischof wahrscheinlich Asyl«, vollendete Hubertus den Satz. »Allein um die Stadt zu ärgern. Aber die Wachen dort draußen passen höllisch gut auf, dass kein Verdächtiger reinkommt. Sonst nimmt die Sache ja überhand.«
»Natürlich.« Simon nickte verständnisvoll.
Sie schritten unter einem steinernen Bogen hindurch und standen in einem mit Bäumen bepflanzten, schattigen Innenhof, der sich gut hundert Schritt nach Osten zog und von herrschaftlichen Gebäuden gesäumt war. Rechts ragte der Dom hinter den bischöflichen Mauern empor. Das Ganze wirkte wie der innere Bezirk einer Festung. Zügig durchquerte Pater Hubertus den Hof, wandte sich dann nach links und blieb schließlich vor einer trutzigen Holztür stehen. Ein bestimmter Geruch lag in der Luft, den Simon nicht sofort einordnen
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