Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler

Titel: Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
Vom Netzwerk:
Kerscher, einer der beiden anderen Fragherren.
    »Um der lieben Jungfrau Maria willen, tu mir nichts«, stotterte Kerscher und versuchte sich linkisch hinter der dünnen Holztür zu verbergen. »Ich bin nur ein einfacher Ratsherr, ich hab das nicht gewollt mit der Folter, glaub mir. Warum bist du nur geflohen, wir hätten dich doch …«
    »Wer war der Dritte?«, unterbrach ihn der Henker knurrend.
    »Der Dritte?« Joachim Kerscher hatte sich nun fast vollständig hinter die Tür zurückgezogen, nur noch sein leichenblasses Gesicht war im Spalt zu sehen. »Ich versteh nicht …«
    »Der dritte Fragherr, du Schafsschädel«, flüsterte Kuisl und hielt sich die blutende Nase. »Wer war das?«
    Der Henker atmete tief durch. Die Schmerzen in seiner Schulter, das Brennen in seinen Armen und Beinen, die Stiche im Rücken, all das kam plötzlich wie mit einem Hammerschlag zurück. Er spürte, wie ihm plötzlich übel wurde.
    JoachimKerscher nickte beflissen. »Der dritte Fragherr, natürlich. So ein Sauhund. Ich kann verstehen, wenn du dich an dem rächen willst. Das war …«
    In diesem Augenblick ertönte von der oberen Treppe ein spitzer Schrei.
    Kuisl drehte sich schwerfällig um und erblickte die Dicke Thea, die soeben mit einem Krug Wein herunterstieg. Das Gefäß entglitt ihren Händen und zersprang klirrend auf dem Boden.
    Mit einem Mal hatte Jakob Kuisl das Gefühl, dass das Haus unter ihm zu schwanken begann. Alles schien plötzlich gleichzeitig zu passieren, das Zersplittern des Kruges, das Lärmen aus dem oberen Stockwerk, die Türen, die sich um ihn herum öffneten wie die Pforten zur Hölle. Männer starrten ihn an, doch ihre Gesichter waren merkwürdig verschwommen. Sie schienen gemeinsam auf ihn einzuschreien. War auch seine Stimme dabei? Kuisl konnte es nicht sagen. Alles um ihn herum war ein dumpfer, dunkler Brei von Rufen, Tönen und Geräuschen.
    Er schüttelte den Kopf und spürte, wie er ein wenig klarer wurde. Jemand kam auf ihn zu und versuchte ihn festzuhalten, doch Kuisl wischte die Gestalt wie einen Nachtmahr zur Seite und taumelte auf die Treppe zu. Nur raus, nur weg von hier, bevor er endgültig zusammenbrach. Wieder spürte er, dass ihn jemand an der schmerzenden Schulter packte. Der Henker krümmte sich zu einer Kugel zusammen und ließ den Mann über seinen Rücken hinweg abrollen, so dass dieser schreiend die Stufen hinunterstürzte.
    Jakob Kuisl hörte sich selbst schreien, er tobte wie ein gejagter, waidwunder Bär, den die Hunde in die Enge getrieben hatten. Noch einmal holte er mit seinem rechten, gesunden Arm aus, zog einen der Männer zu sich heran undließ dessen Nase an seine Stirn knallen. Kuisl spürte das warme Blut seines Gegners auf dem Gesicht, brüllend warf er ihn von sich wie eine mit Stroh gefüllte Puppe. Die Schmerzen und die Angst verliehen ihm einen letzten Schub, bevor die Ohnmacht ihn endgültig übermannen würde.
    Wie von Sinnen stolperte er die Treppe hinunter, auf den Ausgang zu. Er trat gegen die Eingangstür, stürzte nach draußen und sog die frische Luft ein. Sofort konnte er wieder klarer denken. Während er sich die schmerzende Schulter hielt, humpelte er auf eine niedrige Mauer zu und kletterte darüber. Dahinter begann ein zugewachsener Garten, in dem Brombeeren und wilde Rosen wucherten. Dort zwischen den dornigen Büschen brach er schließlich zusammen.
    Jakob Kuisl war am Ende. Gelehnt an die bröckelige Wand, zerstochen von Dornen und erfüllt von rasenden Schmerzen wartete er darauf, dass ihn seine Häscher entdeckten und zurück in die Zelle schleiften.
    Er schloss die Augen und hörte, wie die aufgeregten Stimmen langsam näher kamen.
    Auch die Stimme seines Feindes war darunter.
    Simon und Magdalena vernahmen die Rufe und Schreie, als sie gerade über den Domplatz schlichen.
    Mit keuchendem Atem drückten sie sich an die Fassade eines Patrizierhauses und beobachteten von dort aus, wie ein Dutzend Stadtbüttel nach Süden Richtung Neupfarrplatz stürmte. Seit ihrer Flucht aus den Katakomben waren erst wenige Minuten vergangen. Hatte Nathan sie bereits an Mämminger verraten? Reichte der Arm des Kämmerers so weit, dass er innerhalb so kurzer Zeit die Wachen auf sie hetzen konnte?
    Inden einzelnen Stadtvierteln begannen jetzt plötzlich die Sturmglocken zu läuten. Simon lauschte, es klang, als würde in ganz Regensburg zur Ostermette gerufen. Die Bettler hatten ihm erzählt, dass jedes Viertel in Regensburg seine eigene Kompanie an Wachsoldaten

Weitere Kostenlose Bücher