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Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler

Titel: Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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keine einzige Tür, die Fenster befanden sich alle im ersten Stock und damit außer Reichweite; kein Rankgitter, kein Baum, an dem man hinaufklettern konnte. In einer Ecke des Hofs hatte jemand einen zweirädrigen Ochsenkarren abgestellt. Der Wagen war mit Heu beladen, vorne hing in Hüfthöhe eine schwere, eisenbeschlagene Deichsel. Kurz zögerte der Henker, dann kam ihm ein rettender Gedanke.
    Das Heu …
    Geduckt lief er auf den Wagen zu, während weitere Armbrustbolzen wie Hagelkörner um ihn herum einschlugen. Mit seiner gesunden rechten Hand packte er die Deichsel und manövrierte den Wagen so, dass das Gefährt mit der Rückseite zu den Soldaten stand. Kuisl wusste, dass seine Kraft nicht mehr lange ausreichen würde, er hatte nur diesen einen Versuch.
    Nachdem er einmal tief Luft geholt hatte, rannte er in die Mitte des Hofs, griff sich die noch brennende Fackel vom Boden und warf sie auf den Karren. In Sekundenschnelle fing das trockene Heu Feuer und brannte schließlich lichterloh. Der Wagen glich einem gigantischen Feuerball. Ohne auf die mörderische Hitze zu achten, eilte Kuisl wieder zur Deichsel, hob sie mit dem gesunden Arm hoch und stemmte sich dagegen. Der brennende Karren setzte sich in Bewegung und rollte auf die Wachen und den Ausgang zu. Schreiend stoben die Büttel zur Seite, glühende Bündel von Heu fielen auf sie herunter und setzten ihre Mäntel, Hüte und Röcke in Brand.
    Immer noch schob Kuisl den Wagen, der jetzt mehr undmehr Fahrt aufnahm. Schließlich hatte er den Torbogen erreicht und schoss auf den schmalen Ausgang zu.
    Muss ihn treffen … O du sturschädliger, jähzorniger Herrgott, bitte, für Magdalena …
    Um Haaresbreite passierte der Karren den Durchlass und rollte hinaus auf die Pfaffengasse. Kuisl gab dem Karren einen letzten Schubs, so dass dieser nach links ausscherte und in einen Hauseingang krachte, wo er förmlich explodierte. Brennendes Heu und glühende Holzsplitter regneten zu Boden, sofort griffen die Flammen weiter um sich.
    Keuchend rannte der Henker die Pfaffengasse entlang und sah sich ein letztes Mal um. Das Feuer hatte mittlerweile vom Wagen auf den Türstock und die Ladenfenster im Erdgeschoss übergegriffen. Von überall waren Schreie zu hören, die ersten Bürger eilten mit Eimern zu den öffentlichen Brunnen. Trotz seiner Schmerzen musste Jakob Kuisl grinsen. Wenigstens würden die Wachen nun die nächste Zeit mit etwas anderem beschäftigt sein.
    Der Henker lief noch einige Meter weiter und bog schließlich in eine Seitengasse ein, wo in einer Ecke ein paar alte, teils zersplitterte Fässer standen. Eines von ihnen lag auf der Seite. Mit letzter Kraft schob sich Kuisl hinein und zog die Beine an, so dass er von außen nicht mehr zu sehen war. Betäubt vom Fieber und dem Weindunst im Inneren des Fasses blieb er dort wie tot liegen, während die Schreie nach und nach leiser wurden. Er schloss die Augen und versuchte, nicht einzuschlafen. Er musste weg von hier, sofort. Wo war Teuber? Wo war dessen Haus, das rettende Haus des Scharfrichters, sein Freund …
    Als Jakob Kuisl das Singen hörte, glaubte er zunächst zu träumen. Das Lied war ganz sicher nicht von dieser Welt, sondern aus einer anderen, die weit entfernt lag.
    Maikäfer flieg, dein Vater ist im Krieg …
    DerHenker richtete sich erstaunt auf. Das Singen kam nicht von irgendwoher, es kam von der Straße, von links neben den Fässern. Und es war keine Ausgeburt seiner Phantasie, sondern laute Wirklichkeit.
    Die Mutter ist im Pommerland, Pommerland ist abgebrannt …
    Schließlich ertönte die Stimme direkt neben ihm.
    Sie klang gleichzeitig unangenehm falsch und sehr vertraut.
    »Und du glaubst wirklich, dass wir so deinen Vater finden?«, knurrte Simon. »Bis jetzt sind wir zweimal nur um Haaresbreite einem Nachttopf ausgewichen. Und dein Gesang lässt, ehrlich gesagt, auch zu wünschen übrig.«
    »Es geht nicht darum, wie schön ich sing, sondern dass ich sing«, erwiderte Magdalena schnippisch. »Hauptsache laut, damit der Vater mich auch hört.«
    Simon lachte. »Laut bist du. Du übertönst sogar die Sturmglocken.«
    Sie hatten sich vom Neupfarrplatz langsam Richtung Süden bewegt und waren dabei immer wieder in Seitengassen abgebogen. Schon dreimal waren sie auf ihrem Weg einer Gruppe bewaffneter Stadtknechte begegnet, die Magdalena und Simon in einer anderen Nacht sofort wegen nächtlichen Lärmens ins Narrenhäuschen gesperrt hätten. Doch derzeit schienen die Wachen mit anderen

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