Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler
»Ich hab dem Berchtholdt das Mittel nur gegeben, weil er gar so gebettelt hat. Was er damit anfängt, ist seine Sach, das geht mich nichts an. Wenn seine Magd …«
»Du hast ihm gesagt, er soll lieber zu viel als zu wenig geben!«, unterbrach ihn Simon. Seine Stimme zitterte. »Du hast ihm das Mutterkorn gegeben, als wär’s Salbeitee oder Arnika. Aber es ist Gift! Tödliches Gift! Du … Kurpfuscher!«
Die letzten Worte waren Simon herausgerutscht, ohne dass er es beabsichtigt hatte. Bei seinem Vater brachten sie das Fass zum Überlaufen.
»Kurpfuscher?«, keifte er und krallte die Finger in die Tischplatte. »Du nennst mich einen gottverdammten Kurpfuscher? Ich will dir sagen, wer hier im Ort ein Kurpfuscher ist. Dein verfluchter Henker! Bei wem holen sich die Leut denn immer das Teufelszeug? Jetzt ist er einmal nicht da, und ich kann ein bisserl was verdienen, und schon machst du aus mir einen Mörder! Mein eigener Sohn!« Der Alte sprang auf und schlug auf den Tisch, so dass die Becher in den Regalen an der Wand zitterten. »Dreckshenker!Quacksalber, verruchter! Das Haus brenn ich ihm ab.«
Simon schloss die Augen und wandte den Kopf Richtung Decke. Der Neid auf den Henker bohrte in Bonifaz Fronwieser seit Jahren wie ein giftiger Stachel. Viele Schongauer gingen mit ihren Krankheiten und Wehwehchen lieber heimlich zum Henker als zum hiesigen Stadtmedicus. Es war weitaus billiger, außerdem galten Scharfrichter vor allem bei Knochenbrüchen und Verletzungen, aber auch bei inneren Krankheiten als die besseren Heilkundigen. Durch ihre Erfahrungen bei der Folter und bei den Hinrichtungen kannten sie den menschlichen Körper gründlicher als jeder studierte Arzt.
Was den alten Fronwieser jedoch am meisten ärgerte, war, dass sein Sohn mit dem Scharfrichter befreundet war. Von Jakob Kuisl hatte der junge Medicus mehr gelernt als von seinem Vater und der gesamten Ingolstädter Universität zusammen. Der Henker besaß medizinische Bücher, die in nur wenigen Bibliotheken standen. Er kannte jedes Gift und jedes Heilkraut, und er befasste sich auch mit den Schriften, die die üblichen Gelehrten für Teufelszeug hielten. Simon verehrte den Scharfrichter – und er liebte dessen Tochter. Für Bonifaz Fronwieser zwei Dinge, die ihm regelmäßig die Galle überlaufen ließen.
Während der Alte in keifenden Tönen den Henker und dessen Familie verfluchte, ging Simon zu dem Kessel mit heißem Wasser, der seit vergangener Nacht auf dem Ofen stand. Er wusste, er würde einen Kaffee brauchen, um die nächsten Minuten zu überstehen.
»Von einem, der mit der Henkerstochter ins Bett steigt, lass ich mir gleich gar nichts sagen.« Die Schimpftirade seines Vaters ging ihrem Höhepunkt entgegen. »Ohnehin ein Wunder, dass du zu Haus bist und nicht bei deiner Dirn.«
SimonsHände krallten sich um den heißen Rand des Wasserkessels. »Vater, ich bitt dich …«
»Ha! Du bittest mich!«, äffte ihn sein Vater nach. »Wie oft hab ich dich um was gebeten? Wie oft? Dass du einen Schlussstrich ziehst unter diese leidige Affäre, dass du mir bei der Arbeit hilfst und die Tochter vom Weinberger heiratest oder meinetwegen die Nichte vom Spitalpfleger Hardenberg. Aber nein, mein Sohn treibt’s mit der Henkersdirn, und die ganze Stadt zerreißt sich das Maul!«
»Vater, hör auf! Auf der Stelle!«
Doch Bonifaz Fronwieser hatte sich nun in Rage geredet. »Wenn das deine liebe Mutter wüsste!«, keifte er. »Nur gut, dass der Schnitter sie schon vor Jahren geholt hat, das Herz würd ihr brechen. Jahrelang sind wir als Feldscher den Landsknechten hinterhergezogen. Jeden Kreuzer hab ich gespart, damit es unser Sohn mal besser hat und studieren darf. Und du? Verspielst das Geld in Ingolstadt und treibst dich hier mit ehrlosem Gesindel herum!«
Simons Hände hielten noch immer den Rand des Kessels fest, der mittlerweile vom Feuer schmerzend heiß geworden war. Weiß traten die Knöchel des jungen Medicus hervor.
»Magdalena ist kein Gesindel«, sagte er langsam. »Und ihr Vater auch nicht.«
»Ein verfluchter Quacksalber und Mörder ist er, und seine Tochter eine Hure.«
Ohne weiter nachzudenken, riss Simon den Kessel von der offenen Herdstelle und warf ihn gegen die Wand. Zischend floss das fast kochende Wasser über Regale, Tisch und Stühle. Wabernder Dampf breitete sich in der Stube aus. Bonifaz Fronwieser sah seinen Sohn entgeistert an. Der Kessel hatte nur knapp sein Gesicht verfehlt.
»Wie kannst du es wagen …«, begann
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