Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler
wäre sie soeben der Kneipenschlägerei zwischen einigen Dirnen entronnen.
»Ihr habt recht«, murmelte sie verlegen. »Aber ich habe kein Geld, um …«
»Geld! Wozu braucht Ihr Geld!«, unterbrach sie Silvio. »Wir werden bei mir schon etwas Nettes finden. Schließlich könnt Ihr in diesem Aufzug unmöglich auf mein Fest heute Abend gehen.«
Magdalena stutzte. »Ihr … Ihr habt das vorhin ernst gemeint? Ich soll Euch wirklich auf diesen Ball begleiten?«
» Mama mia! Warum sollte ich scherzen? Eine Schönheit wie Ihr bereichert jedes Haus!«
Die Henkerstochter musste lächeln. Die Feste, die sie kannte, fanden meist auf dem Marktplatz oder auf einem leergeräumten Scheunenboden statt. Es gab Würste, Kraut und Bier, und ein paar Musikanten spielten mit Fiedel und Schellen zum Tanz auf. Die Vorstellung, auf einen Ball geladen zu sein, war für sie so fremd wie eine Einladung ins Paradies.
»Ich … ich fürchte, ich werde mich schrecklich danebenbenehmen«, stotterte sie. »Ich weiß gar nicht, was man da so redet und überhaupt …«
»Euer Lächeln sagt mehr als tausend Worte. Und jetzt kommt!«
Galant griff der Venezianer Magdalena unter ihren Arm und führte sie durch die Gassen Regensburgs, ganz so, als wäre sie eine reiche Patriziergattin.
Nur kurze Zeit später stand die Henkerstochter mit Silvio vor einem gewaltigen Gebäude, das direkt an den belebten Domplatz grenzte. Der Eingang war breit wie ein Scheunentor, darüber befanden sich zwei Stockwerke, die jeweilsmit einer Reihe schimmernder, verglaster Fenster versehen waren. Erker, Spitzbögen und Gauben gaben dem Anwesen den Anschein eines adligen Landsitzes. Von seinen Ausmaßen erinnerte es Magdalena beinahe an das Regensburger Rathaus.
»Dieses Schloss gehört Euch?« Ihr Mund blieb vor Staunen weit offen.
»No, no!« Silvio winkte ab. »Ich wohne hier nur zur Miete. Ein Patrizier war so freundlich, mir einige Räume zur Verfügung zu stellen. Kommt mit, ich zeig sie Euch. Es gibt dort einen Saal, der könnte Euch besonders gefallen.«
Der Venezianer führte Magdalena durch das Portal in einen schattigen Hof. Duftende Blumen und Pflanzen standen in Marmorwannen und Kübeln auf dem kiesigen Boden, wilder Wein rankte an den Wänden empor. In einem silbernen Käfig, der an einem Balken von der Decke hing, zwitscherten bunte Vögel. Die Henkerstochter kam sich vor, als wandelte sie durch den Garten Eden. Sachte berührte sie einige gelbe Früchte, die in einer sonnigen Ecke an einem kleinen Bäumchen wuchsen.
»Das sind Zitronen«, klärte Silvio sie auf. »Sie wachsen in meiner Heimat in jedem Garten. Ich versuche, sie hier zu züchten. Aber im Winter gehen sie meist ein.« Er seufzte. »Wenn es kalt ist, vermisse ich mein geliebtes Venezia ganz besonders.«
»Sehen in Venedig denn alle Häuser so aus?«, fragte Magdalena vorsichtig.
Silvio lächelte. »Ich habe Freunde dort, die ihre Villen mit Gold verzieren und in silbernen Gondeln fahren. Ich selbst halte das für Prunksucht. Aber wer in der reichsten Stadt der Welt lebt, der glaubt eben schnell, etwas Besseres zu sein. Folgt mir bitte.«
Sie gingen über eine breite Treppe in den ersten Stock. WeißeMarmorstatuen flankierten das Geländer. Im Gegensatz zum Gestank der Stadt roch es hier dezent nach Früchten und Minze, von irgendwoher wehte das leise Lied einer Harfe. Interessiert blieb Magdalena vor einer kleineren Skulptur stehen, die einen hübschen jungen Mann zeigte, der ein Mädchen anlächelte und ihm einen Apfel reichte. In seinem offenen Rücken tummelten sich Ratten, Schlangen und Kröten.
»Was ist das?«, fragte sie den Venezianer.
Silvio zuckte mit den Schultern. »Eine grausige Statue. Ich sollte sie entfernen lassen. Sie passt so gar nicht zu den anderen schönen Gestalten hier. Aber nun kommt endlich. Ich führe Euch in meine Garderobe. Es wäre doch gelacht, wenn wir für la bella signorina dort nichts Passendes finden würden.«
In diesem Augenblick kam ihnen auf der Treppe eine Magd mit einem Bündel frischer Wäsche entgegen. Sie machte einen Knicks und senkte den Blick. Silvio schien das Mädchen gar nicht zu bemerken, doch Magdalena spürte, wie die Magd sie aus dem Augenwinkel heraus anstarrte. Ihre Lippen waren schmale Striche, angewidert rümpfte sie die Nase. Offenbar hielt sie Magdalena für eines der Flittchen, die der Hausherr sicher gelegentlich mit aufs Zimmer nahm, nichts weiter als eine billige Hure von der Gasse.
Ich kann’s ihr nicht mal
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