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Die Henkerstochter und der schwarze M�nch

Titel: Die Henkerstochter und der schwarze M�nch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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würd mit so einem Zahn jedenfalls keine große Fahrt machen.«
    Der Bürgermeister erbleichte. »Aber der Schmerz hat doch aufgehört. Und ich habe das Nelkenöl …«
    »Das hilft immer nur eine Zeitlang. Glaubt mir, der Schmerz wird wiederkommen, schlimmer als vorher, und irgendwann bringt auch das Öl nichts mehr.«
    »O Gott, was soll ich tun?« Karl Semer fasste sich, von plötzlicher Panik erfasst, an die Wange und sah den Henker fast flehend an. »Was soll ich nur tun?«
    Jakob Kuisl ging zu einer Truhe in der Kammer nebenan und kam mit einer armlangen Kneifzange zurück, die er sonst bei der Folter einsetzte. »Wir werden ihn wohl ziehen müssen«, sagte er.
    Karl Semer war der Ohnmacht nahe. »Jetzt gleich?«
    Der Henker schenkte dem Bürgermeister einen Bierkrug mit Schnaps ein. »Warum nicht? Meine Frau muss ohnehin aufstehen.«
    Der bald darauf folgende Schrei weckte nicht nur Anna Maria Kuisl und die Zwillinge, sondern das gesamte Gerberviertel auf.
     
    Immer wieder hinter den Säulen Schutz suchend, verfolgte Magdalena den schwarzgewandeten Mönch durch den Augsburger Dom. Direkt vor ihr war er im Kreuzgang verschwunden. Als die Henkerstochter durch das Portal kam,das den Dom mit dem Atrium verband, sah sie den Mann gerade noch an einer Holztür vorbeischreiten und hinter einer Biegung verschwinden. Zwei Messdiener kamen ihr entgegen und musterten sie neugierig. Sie mäßigte ihren Schritt und ging lächelnd an ihnen vorbei, wobei sie den Beutel mit den Kräutern auffällig schwenkte. Die beiden pickligen Jünglinge starrten auf ihr Dekolleté, als hätten sie noch nie eine Frau gesehen. Im Kreuzgang kommt das wohl auch selten vor, dachte Magdalena und lächelte stoisch weiter. Endlich waren die Messdiener verschwunden, sie lief wieder schneller, bog um die nächste Ecke …
    Und blickte in einen leeren Gang.
    Magdalena murmelte einen derben Henkersfluch. Der verdammte Mönch war ihr schon wieder entwischt!
    Sie rannte weiter, einmal rund um das Atrium, bis sie wieder am Portal stand, das in den Dom führte. Wie war das möglich? Der Mann konnte unmöglich wieder durch das Portal verschwunden sein. Sie hätte ihn sehen müssen ! Vom Kreuzgang aus blickte sie in den säulenumsäumten Innenhof, in dem ein kleiner Kräutergarten neben niedrigen Büschen unter einer Schneedecke ruhte. Auch hier war kein Mensch zu sehen. Es schien, als hätte sich der Fremde einfach in Luft aufgelöst. Noch einmal ging sie den Kreuzgang ab. Vielleicht war ja irgendwo eine Tür, die sie übersehen hatte, eine Öffnung, eine versteckte Nische?
    Jetzt erst hatte Magdalena Zeit, sich genauer umzusehen. Die Wände zur Linken waren übersät mit Grabplatten aus den verschiedensten Epochen. Ritter in altmodischen Rüstungen, grinsende Skelette und hakennasige Bischöfe blickten ihr entgegen. Aber da war keine weitere Tür.
    Sie hatte den Mann verloren.
    Erschöpft lehnte sie sich gegen eine Grabplatte und atmete durch. Wenigstens wusste sie jetzt, dass Koppmeyers Mörder zum Dunstkreis des Domes gehörte. Die Wachen am Tor hatten ihn gegrüßt, er kannte sich im Dom offensichtlich aus,und er trug das gleiche Kreuz, das auch dieser junge Bischof auf dem Bild drüben im Seitenschiff trug. Ein Kreuz mit zwei Querbalken.
    Das gleiche Kreuz ... Ein Gedanke kroch in ihr hoch, so schrecklich und absurd, dass sie ihn zuerst nicht wahrhaben wollte.
    Konnte es sein, dass dieser Mönch und der Bischof die gleiche Person waren?
    Noch bevor sie sich ausmalen konnte, was diese ungeheuerliche Idee bedeutete, begann die Grabplatte hinter ihr zu sprechen.
    Magdalena machte einen Satz nach vorne, der Beutel mit den Kräutern entglitt ihr, und sie starrte den steinernen Mann auf der Platte an. Es war ein Ritter in Harnisch und geöffnetem Helm, ein Breitschwert lehnte an seiner Seite, zwei spielende Hunde tummelten sich zu seinen Füßen. Er glotzte sie mit hohlen Augen an.
    Magdalena hielt den Atem an und lauschte. Aus dem zum stummen Schrei geöffneten Mund des Ritters drang ein leises, fast nicht zu vernehmendes Murmeln und Zischen.
    Vorsichtig näherte sie sich wieder dem steinernen Relief. Als sie ihre Ohren an die kalte Platte presste, konnte sie dahinter ein Summen hören. Ein durchgehender klagender Ton. Magdalena schloss die Augen und lauschte nur auf den Ton. Es war keine einzelne Stimme, sondern der dumpfe Chor vieler Männer, der gedämpft durch die Steinplatte drang.
    War das möglich...?
    Magdalena drückte mit beiden Händen gegen

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